Es ist eine Frage des Rechtes

Mehr als eine halbe Million Unterschriften unter Savianos Appell

Roberto Saviano, Autor von „Gomorra“ und diesjähriger Träger des Geschwister-Scholl-Preises, hat an Ministerpräsident Berlusconi einen offenen Brief geschrieben, in dem er ihn auffordert, das geplante Gesetz zur Verkürzung der Prozesse zurückzuziehen. Mit dem Gesetzesentwurf (das 19. Gesetz „ad personam“ in Folge) will Berlusconi erreichen, dass die gegen ihn laufenden Korruptionsprozesse annulliert werden. Er nimmt dafür ohne Wimpernzucken in Kauf, dass „nebenbei“ auch tausend weitere Prozesse, u.a. wegen gravierender Akte von Wirtschaftskriminalität, mit einem mit einem Federstrich beendet werden.

In seinem in der Tageszeitung „La Repubblica“ veröffentlichten Appell schreibt Saviano u.a.:

„Herr Ministerpräsident, ich vertrete nur mich selbst… Ich bin ein Bürger. Ich fordere Sie auf: ziehen sie das Gesetz zum ’kurzen Prozess’ zurück, und tun Sie es im Namen der Erhaltung des Rechts. Die Gefahr besteht, dass das italienische Recht zerstört wird, indem es nur zu einem Instrument der Mächtigen wird, angefangen mit Ihnen… Das ist keine Frage von Rechts oder Links. Das ist keine Frage der Politik. Es ist keine ideologische Frage. Es ist eine Frage des Rechts… Erlauben Sie nicht, dass die Prozesse ein leerlaufender Mechanismus werden, in dem sich der Mächtige behauptet, während derjenige, der zu seiner Verteidigung nur das Recht hat, keine Hoffnung mehr auf Gerechtigkeit hat.“

Innerhalb von vier Wochen haben sich, über die home page der Repubblica, über 500.000 Menschen Savianos Appell angeschlossen (www.repubblica.it, Stand vom 9.12.09 ). Der Adressat des Briefes selbst hat nicht geantwortet, dafür hat einer seiner Minister, Kulturminister Bondi, den Schriftsteller öffentlich ermahnt, die „Kultur“ aus „politischen und ideologischen Auseinandersetzungen“ herauszuhalten – und den Mund zu halten. Doch Schweigen ist Savianos Sache nicht: In seiner Antwort an den Herrn Kulturminister in der „Repubblica“ stellt er klar, dass es in bestimmten Situationen eine Pflicht ist, Stellung zu beziehen. Er verweist dabei auf das Beispiel der Geschwister Scholl, denen der ihm vor kurzem verliehene Preis gewidmet ist, die für die Erfüllung dieser Pflicht bereit waren, ihr Leben zu opfern. Auch Saviano setzt sein Leben im buchstäblichen Sinne aufs Spiel: Seitdem er seine Enthüllungen über die Camorra veröffentlicht hat, ist es ein offenes Geheimnis, dass sein Todesurteil bereits gesprochen ist. Er kann in Italien nur noch mit einer Polizei-Eskorte leben. Da ist es nicht selbstverständlich, dass er erstens in Italien bleibt, und sich zweitens auch noch mit dem Ministerpräsidenten anlegt. Saviano, ein würdiger Preisträger.