„Mani pulite“
Vor nunmehr 18 Jahren, am 17. Februar 1992, wurde Mario Chiesa verhaftet, Direktor des Altenheims „Pio Albergo Trivulzio“ und Mailänder Vertreter der Sozialistischen Partei (PSI). Er hatte sich umgerechnet 7000 DM dafür zahlen lassen, dass er eine bestimmte Firma mit der Reinigung beauftragte. Die Verhaftung von Chiesa war das Signal für Ermittlungen, die ein ganzes Netz von Korruption, illegaler Parteienfinanzierung und persönlicher Bereicherung ans Tageslicht brachten.
Mit dieser Maßnahme einer Staatsanwaltschaft, die nicht mehr bereit war, die Augen vor dem sozialen Krebsleiden Korruption zu verschließen, begann die Aktion Mani pulite (Saubere Hände). Die Ermittlungen zeigten, dass es auf allen Ebenen ein dichtes Netz illegaler Beziehungen zwischen Politikern und kleinen und großen Unternehmern gab. Das Schema war immer das gleiche: Politiker nutzten ihre Handlungsvollmacht, um für Vergünstigungen aller Art – von öffentlichen Aufträgen bis zur Vergabe von Lizenzen und Genehmigungen – illegal Gelder zu kassieren, die sie in ihre Parteikassen bzw. die eigene Tasche leiteten. Dabei wurden vor allem Vertreter der Regierungsparteien, der Democrazia Cristiana und der PSI, vor Gericht zitiert, um darüber Rechenschaft abzulegen, aber es betraf auch, allerdings mehr am Rand, die Überreste der größten Oppositionspartei, der ehemaligen Kommunistischen Partei.
Die öffentliche Unterstützung der Ermittlungen war zunächst riesengroß, auch von allen oppositionellen Kräften. Und zwar nicht nur auf der Linken: Zu den größten Unterstützern der Mailänder Staatsanwaltschaft gehörten damals Bossis Lega Nord und Finis MSI. Zwei Jahre später begann die „Zweite Republik“ Italiens: Forza Italia, die hauseigene Partei von Berlusconi, trat an die Stelle der DC und der PSI von Bettino Craxi (welcher nach Tunesien geflohen war, um sich den Prozessen zu entziehen). Nach der Wahlniederlage der Linken bildete sie mit der Lega Nord und der Fini-Partei eine Koalition.
Es ist also ein Faktum, dass die Aktion der Staatsanwaltschaft die politische Situation veränderte. Aber nicht aus politischen Motiven, wie die heutige Mitte-Rechts-Regierung behauptet, sondern um dem Recht in einer Angelegenheit Geltung zu verschaffen, die vielen bekannt war, aber bis dahin de fakto toleriert wurde.
Die sorgfältigen Ermittlungen, die Staatsanwalt Francesco Saverio Borelli – ein Ehrenmann fern jeder Parteipolitik – und sein Team begannen, ermutigten zu weiteren Verfahren, die alle Regionen Italiens erfassten. Manchmal aufgrund der Initiative der Ordnungskräfte und Richter, oft aber auch aufgrund der Anzeigen von Unternehmern, die es satt waren, unnütze Zahlungen leisten zu müssen, um ihren Geschäften nachgehen zu können. Auch die Region Trentino-Alto Adige, zum Beispiel, in der ich lange gewohnt habe, wurde vom Zyklon „Mani pulite“ erfasst: In Trient wurde der Vorsitzende der Provinzialregierung, Mario Malossini, verhaftet, und in Bozen entzog sich sein Parteikollege Remo Ferretti der Verhaftung durch Flucht. Aus einem auf Mailand beschränkten Phänomen wurden so die „Mani pulite“ zu einer Angelegenheit, die viele Orte Italiens erfasste: Überall kamen Korruptionsfälle unterschiedlicher Größenordnung ans Tageslicht.
Paradoxerweise war es gerade diese Ausbreitung und Vervielfältigung der Ermittlungen, die – neben dem exzessiven Einsatz von Untersuchungshaft – zum Umschlag in der öffentlichen Meinung führte: Die Betroffenen waren nicht mehr anonyme Subjekte, sondern wohlbekannte Politiker und Unternehmer, manchmal auch örtliche Mitbürger und Nachbarn. Vor allem erreichte die Aktion der Staatsanwälte einen Punkt, an dem sie eine moralische Revolution auszulösen drohte, indem sie nicht mehr nur die Mächtigen traf, sondern auch die Handwerker, kleinen Ladenbesitzer, Gastwirte und Selbständigen, die bis zu diesem Zeitpunkt vom Desinteresse der Ordnungshüter profitiert hatten, indem sie die Steuern hinterzogen oder andere Straftaten begingen – „um zu überleben“, wie sie oft zu ihrer Rechtfertigung sagten.
Was bleibt von den „Mani pulite“, aus dem Abstand von 18 Jahren? Nach den Statistiken der Mailänder Staatsanwaltschaft wurde gegen über 5000 Personen ermittelt, gegen etwa 3200 wurden Verfahren eröffnet. Für 2268 endeten die Verfahren mit einem Urteil, davon in 55 % der Fälle mit einem Schuldspruch. Aus rechtlicher Sicht war es also richtig, die Ermittlungen zu beginnen. Wie wir wissen, sieht die politische und soziale Bilanz allerdings anders aus. Was den Respekt vor der Legalität betrifft, hat sich wenig verändert, und es ist die Regierung selbst, die das trostloseste Beispiel von Justizverachtung liefert (siehe den „Kurzen Prozess„).