Journalistische Schande

Wer behauptet denn, dass die moderne Manipulation von Nachrichten subtil, kaum wahrnehmbar, indirekt sein muss? Warum sich um unterschwellige Botschaften oder andere Feinheiten bemühen, wenn die groben Methoden aus früheren Zeiten ebenso erfolgreich sind? Das beweist uns der TG 1, die abendliche Nachrichtensendung des Ersten Italienischen Fernsehens, die in diesen Tagen einen beträchtlichen Beitrag zum inzwischen begonnenen Wahlkampf liefert (in einigen italienischen Regionen stehen Wahlen an).

Der TG 1 war einst die wichtigste Nachrichtensendung des italienischen Fernsehens RAI. Obwohl sie manchmal etwas langweilig und lahm war, bemühten sich ihre Beiträge doch um eine ausgeglichene Berichterstattung. Heute, unter der neuen Leitung von Augusto Minzolini, wurde sie zum wichtigsten Instrument der Regierungspropaganda und konkurriert dabei mit der Nachrichtensendung TG 4 von Emilio Fede (der sich selbst als glühenden Fan von Berlusconi bezeichnet und somit zumindest nicht der Heuchelei bezichtigt werden kann). Minzolini ist das trojanische Pferd von Berlusconis Medienfirma Mediaset im öffentlichen Fernsehen.

Um dies zu begreifen, ist es nicht nötig, sich seine Kommentare anzuhören. Es genügt, sich gelegentlich seine Nachrichtensendung anzuschauen. Es ist eine Rolle, die er völlig offen und ohne jede Scham erfüllt.

Am letzten Freitagabend um 20.00 Uhr bot die Nachrichtensendung einen Überblick der Tagesereignisse, der – was Themenwahl, Bilder und Textbeiträge betrifft – direkt aus der Via Bellerio, dem nationalen Sitz der Lega Nord, zu stammen schien. Hier die Reihenfolge der Themen in den ersten 20 Minuten der Sendung:

  • Einblenden der Hauptthemen, mit dem Schwerpunkt Zusammenstöße zwischen einheimischer Bevölkerung und Immigranten in Rosarno (Kalabrien).
  • Der Konflikt in Rosarno, mit Interviews der Beteiligten an den Strassenkämpfen und einem Archivbeitrag über die „Stadt aus Pappe“, das verlassene Industrielager, in dem Hunderte afrikanischer Migranten leben, die in den örtlichen Unternehmen ausgebeutet werden – fast 6 Minuten.
  • Migration und Politik mit Äußerungen einiger Politiker (2 Minuten) nach der „Sandwich-Methode“ (Brot-Salami-Brot), d. h. viel Raum für eine Erklärung von Innenminister Maroni, der erläutert, dass übertriebene Toleranz gegenüber den Migranten für die Unruhen verantwortlich sei, dann ein paar eilige Sätzchen, die der Opposition zugestanden werden (Bersani kann gerade sagen, dass die gesetzliche Regelung der Migration die Namen Bossi und Fini trägt), zum Schluss eine ganze Kompanie von Vertretern der Mitterechtskoalition.
  • 1,5 Minuten für den – sicherlich wichtigen – Vorschlag von Bildungsministerin Gelmini, die Anzahl ausländischer Schüler pro Klasse zu reduzieren.
  • Interview mit Roberto Cota, dem parlamentarischen Fraktionsvorsitzenden der Lega Nord, der Präsident der Region Piemont werden will. Thema ist einmal mehr die illegale Migration (2 Min. 20 Sek.)
  • Kurzes „Informationsfenster“ über die anstehenden Regionalwahlen und die italienische Wirtschaft, der es nach Darstellung von TG 1 blendend geht, besser als dem europäischen Durchschnitt (1 Min. 35 Sek.).
  • Verurteilung von 4 Rumänen wegen Vergewaltigung und Raubüberfall (1 Min. 35 Sek.).
  • Verhaftung eines afrikanischen Serienvergewaltiger in Mailand (1 Min. 20 Sek.).
    – Anschlag auf die Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria durch die kalabresische Mafia (1 Min. 25 Sek.)
  • Vereitelung eines Anschlags von Al Qaida bei einem Flug Niederlande-USA (1 Min. 35 Sek.)

Wenn es so weiter geht, wird der TG 1 bald durch die Berlusconi-Hymne eröffnet und abgeschlossen…

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