Lega Nord – eine Erfolgsgeschichte
Eine gar nicht so uninteressante Frage: Welche ist eigentlich die älteste Partei Italiens?
Außerhalb Italiens würde vermutlich eine Mehrheit die Christdemokraten nennen. Als einheitliche Partei gleichen Namens, vergleichbar der deutschen CDU, existiert aber die „Democrazia Cristiana“ (DC) schon seit gut zwei Jahrzehnten nicht mehr. Ihre Mitglieder und Anhänger haben sich inzwischen auf verschiedene größere und kleinere politische Formationen verteilt. Manche in offener Gegnerschaft zu Berlusconi (etwa im Umfeld des ehemaligen Ministerpräsidenten Romano Prodi). Manche in mäßiger, opportunistischer Distanz zum herrschenden Mitte-Rechts-Bündnis (Wortführer Pier Ferdinando Casini und eine Reihe klerusnaher Politiker wie Rocco Buttiglione). Manche wiederum sind erklärte Fans von Silvio und haben jede seiner politischen Neugründungen (zuletzt Popolo della Libertà ) mit fliegenden Fahnen und Treueschwüren mitgemacht.
Aber auch die ehemals in Italien starken ‚Kommunisten’ (KPI) gibt es als einheitliche Parteiformation schon seit vielen Jahren nicht mehr. Auch hier haben sich die Politiker und Anhänger der alten KPI in diverse mittlere und kleinere politische Formationen aufgespalten. Ein Teil der älteren Politiker und Anhänger der PD (Partito Democratico) entstammt noch der ehemaligen kommunistischen Kultur, aber als Partei ist sie relativ jungen Datums und immer wieder durch Abspaltungen bedroht.
Nein, unter den heute relevanten Parteien ist die ‚Lega Nord’ inzwischen die älteste politische Kraft. Den ‚Leghismo’ als eine zunächst noch diffuse, aber offen populistische und gegen „den Süden“ und den Klientelismus der alten „römischen Parteien“ gerichtete Mentalität gibt es in vielen Regionen des italienischen Nordens bereits seit Ende der 70er Jahre. Seit Berlusconi in die Politik gegangen ist, um vornehmlich seine eigenen privaten Interessen politisch abzusichern, folgt ihm Umberto Bossi, der legendäre ‚Leader’ der Lega Nord, wie ein Schatten. Mit Berlusconis Forza Italia (heute PdL) teilt die 1989 offiziell gegründete ‚Lega Nord’ ein heftige Abneigung gegen die politische Linke in allen ihren Schattierungen und eine große Sympathie für eine rigide Ordnungspolitik, die sich vor allem gegen „Extracomunitari“ und kulturelle Außenseiter einer „normalen, gesitteten, rechtschaffenen Mehrheitsbevölkerung“ richtet. Im Ton und in den vorgeschlagenen Maßnahmen gehen die Repräsentanten und Anhänger der ‚Lega’ oft noch weiter als die stärker in urbanen Zentren beheimateten ‚Mitte-Rechts-Wähler’ um Berlusconi. Vor offenem Rassismus gegenüber Bürgern schwarzer Hautfarbe oder islamischen Glaubens schrecken die ‚Leghisten’ nicht zurück. Sie propagieren lautstark die Verteidigung des „christlichen Abendlands“ gegen die Muslime, polemisieren aber gleichzeitig gegen katholische Bischöfe und Priester, die für ein gastfreundliches Christentum werben. Der aus der neo-faschistischen Tradition kommende, aber heute staatstragend-konservative Parlamentspräsident Fini ist ein Lieblingsfeind der Lega-Basis.
Wäre die ‚Lega’ nur eine polternde, aggressive, rassistische Partei des Nordens gegen ‚die Römer’, bliebe ihr anhaltender Erfolg bei fast allen Wahlen der jüngeren Vergangenheit unerklärt. Nach übereinstimmenden Wahlanalysen findet sie vor allem dort eine stabile Unterstützung, in denen früher die KPI über eine starke Wählerbasis verfügte. Ihre Verankerung in vielen Gemeinden im Hinterland der großen Städte ist durch ein Netzwerk lokaler Hilfsprojekte, Medien und Vergnügungsangebote („Miss Padania“) immer dichter und solider geworden. Überraschend wäre es nicht, wenn bei den bevorstehenden Regionalwahlen zum ersten Mal (im Veneto) ein Lega-Politiker zum Regionalpräsidenten gewählt würde. Ohne Unterstützung der Lega und ihrer Anhänger würde vermutlich auch ein Berlusconi keinen Tag länger im Amt bleiben. Was setzt die demokratische Linke dieser Perspektive eines politisch, wirtschaftlich und kulturell auseinanderdriftenden Italien entgegen…?