Medienzar ist kein Medienstar
Italiens Regierungschef versteht etwas von den Medien. Silvio Berlusconi weiß sich medienwirksam in Szene zu setzen. Zwei Stunden lang ist er zur wichtigsten Fernsehzeit als Held des Wiederaufbaus, als Baumeister des neuen Familienglücks im Oktober 2009 im Erdbebengebiet der Abruzzen aufgetreten. Was macht es, dass er Talkshows zum Thema auf anderen Kanälen einfach verbieten ließ. Mitunter muss der „Cavaliere“ auch der Regie anderer folgen. Das tut weh. Da wetterte er in diesen Tagen laut Standard (Wien) über Rocco Carlomagno so gar nicht stilvoll: „Das ist eine Pressekonferenz für Journalisten und nicht für Leute wie Sie“. Eine Entgleisung mehr, möchte man denken. Und ein Verteidigungsminister, der selbst zugreifen musste, um den für seine Protestaktionen in Italien bekannten Carlomagno aus dem Saal zu führen.
Das klingt amüsant. Da könnte man gern einmal wieder auf die italienischen Verhältnisse verweisen. Und die Widersprüche zwischen handfestem Politikstil und stilvoller Lebensart Silvio Berlusconis. So einfach ist es nicht, denn es ist ein dramatischer Augenblick in der Geschichte des Landes.
„Die Machthaber in diesem Land wollen aus der Demokratie ein autoritäres System machen. Die Italiener zerstören das größte Gut, das sie haben: Freiheit und Demokratie“,
sagt Giorgio Bocca. Er ist ein so hoch geachteter wie betagter Journalist Italiens.
Boccas Analyse stützen Untersuchungen. So fand die US-Organisation Freedom House heraus, dass Westeuropa die Weltregion mit der höchsten Pressefreiheit ist, aber Italien ist zurückgestuft worden von der Kategorie „frei“ in die Kategorie „teilweise frei“. Was nützt es da, dass China, Kuba und der Iran mit „unfrei“ dastehen. Und das die USA nach einer Aufstellung vonReporter ohne Grenzen unter 139 untersuchten Staaten erst auf Platz 17 rangieren. Italien nimmt Platz 40 ein. Ganz oben stehen übrigens Finnland, Island, Norwegen und die Niederlande.
Mut und Zivilcourage zeichneten schon immer Italiener aus. Sie zeigen diese auch im Kampf um die Pressefreiheit. La Repubblica und L’Unità lassen sich nicht beirren. 30 Redakteure verließen Rai, weil Daniela Tagliafico wegen ihrer Panino-Kritik ungelitten war. Sie sagte, das staatliche Fernsehen bringe eine Berlusconi-Aussage, dann eine oppositionelle und nochmals Regierungstreues. So nehme der Regierungschef keinen Anstoss. Rai hat auch im Monat vor den Regionalwahlen brav die Einschränkungen der italienischen Kontrollkommission hingenommen. Statt der bisher üblichen Hintergrundsendungen in quotenstarken Programmen gibt es nur noch Rededuelle im Wahlkampf.
Berlusconi kontrolliert Mediaset, viele Radiosender, Kinoketten, auch Tageszeitungen. Er ist ein Medienzar. Als Ministerpräsident handelt er weniger politisch als kaufmännisch. So mussten die Publikumslieblinge, die politischen Journalisten Enzo Biagi und Michele Santoro gehen, weil sie zu populär und zu links sind. Sogar Commissario Montalbano darf nicht mehr ermitteln, weil er seine Fälle auf Rai-Frequenzen löste. Das war zuviel Konkurrenz für Mediaset. Trotzdem gibt es journalistischen Widerstand und Mut. Silvio Berlusconi beherrscht die Medien, aber die öffentliche Meinung kontrolliert er nicht. Noch nicht.