Illegal ist ganz egal?!

Wieder einmal hat Silvio Berlusconi – in der so genannten „Affäre Mills“ und für den Augenblick noch indirekt – mittels Verjährung eines Delikts seinen Kopf aus der (Justiz-)Schlinge gezogen. Zum x-ten Mal. Das italienische Kassationsgericht hat entschieden, dass der englische Rechtsanwalt Mills zwar der Korruption schuldig, die Justiz aber leider zu spät gekommen ist. In Italien, wo Prozesse auch schon mal 10 Jahre und länger dauern, ein normaler Fall (wobei man „normal“ hier allerdings ironisch verstehen sollte). Die Schuldhaftigkeit von David Mills besitzt aber noch einen interessanten Nebeneffekt, wie Giuseppe Avanzo am 26.02. auf der Titelseite der römischen Zeitung La Repubblicaschreibt:

„Wenn David Mills der Bestochene ist, dann ist der italienische Ministerpräsident der Bestechende. – Mills hat im Gerichtssaal gelogen, um den ‚Cavaliere’ aus der Schusslinie zu bringen.“

Wobei einem dann sofort wieder die folgende Aussage von Silvio Berlusconi einfällt (zitiert nach G. Avanzo):

“Ich kenne David Mills nicht, das schwöre ich beim Haupt meiner fünf Kinder. Wenn es wahr wäre, würde ich mich sofort aus der Politik zurückziehen, würde Italien verlassen“ (Ansa, 20. Juni 2008).

Fühlt man sich da nicht an einen gewissen Herrn Craxi erinnert?

Berlusconis Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlicher Natur. Da der Prozess gegen ihn im Zusammenhang mit dieser Bestechungsaffäre erst im Sommer 2011 verjährt und also weiterläuft, erklärte er, er würde nun vor Gericht beweisen, dass sämtliche Anklagen gegen ihn auf unhaltbaren Anschuldigungen beruhen. Zu den vom Gericht festgesetzten – und mit seinen Rechtsanwälten vorher fest abgemachten – Terminen erschien er dann allerdings nicht: Er sei unvorhergesehen mit Regierungsgeschäften derart beschäftigt, dass er nicht persönlich vor dem Richter auftreten könne. Diese Hinhaltetaktik kennt man zur Genüge, sie wurde bereits mit Erfolg erprobt; irgendwann wird die Verjährung eintreten und auch diese Sache ausgestanden sein.

Man könnte als Deutscher natürlich einwerfen, was uns das alles berührt, schließlich ist man ja in den letzten Jahren an skurrilen Nachrichten aus einem unserer liebsten Urlaubsländer so einiges gewohnt. Auf den ersten Blick wenig, wenn man genauer hinschaut jedoch sehr viel. Denn auch wenn es jene geben wird, die diese Dinge als Italien-Folklore mit einem gewissen Unterhaltungswert abtun mögen (Hauptsache, Pizza, Spaghetti und Parmesankäse verlieren nicht an Qualität), so sollte diese Entwicklung in einem der EWG-Gründerländer doch wohl zu einiger Besorgnis Anlass geben. Im eigenen Land würde der Durchschnittdeutsche wohl Verhaltensweisen, wie sie der italienische Regierungschef (aber nicht nur er!) an den Tag legt, kaum tolerieren; ein deutscher Politiker wäre bei sehr viel weniger skandalösem Verhalten sehr schnell von der politischen Bühne verschwunden. Die Frage ist, warum in Deutschland Öffentlichkeit, Presse und Politik gegenüber Berlusconi eine derart große Toleranz walten, so wenig Empörung erkennen lassen (man schaue zum Vergleich einmal in die englische und französischen Zeitungen). Handelt es sich um Unkenntnis, Gleichgültigkeit, gar „Respekt“ vor einem ausländischen Regierungschef?

Doch Achtung: In einem Europa, das sich „Union“ nennt (d.h. auf gut Deutsch „Vereinigung“), gehen Skandale wie die in Italien alle an, und zwar sehr viel mehr, als es unsere Meinungsmacher und politisch Verantwortlichen zu glauben scheinen.