Delirium der Allmacht oder Krise?
Man kann sie nicht mehr zählen, die Male, in denen Silvio Berlusconi am Telefon dabei erwischt wird, sich die Realität nach seinem Willen und Gusto zurecht rücken zu wollen. Diesmal ging es eigentlich um etwas ganz anderes, es waren, so heißt es, Abhörmaßnahmen in Verbindung mit einer Geschichte um Kreditkarten, und wie die Telefongespräche mit S.B. damit verbunden sind, ist bislang nicht deutlich erklärt worden. Klar hingegen ist, dass er versucht hat, auf einflussreiche Stellen und Personen innerhalb und außerhalb des staatlichen Fernsehens RAI Druck auszuüben, um zu erreichen, dass ihm unliebsame Fernsehsendungen wie u. a. „Annozero“ des kritischen Journalisten Michele Santoro aus dem Programm genommen werden. Die Geschichte ist nicht neu: Bereits im Jahre 2002 hatte Berlusconi es mit dem so genannten „Bulgarischen Edikt“ geschafft, dass Publizisten wie Santoro, Biagi und Luttazzi bei der RAI ihren Arbeitsplatz verloren, die beiden ersteren dann aber dank gewonnener Gerichtsverfahren wieder zurückkehrten und Santoro weiterhin (Biagi ist inzwischen verstorben) mit lästigen Sendungen den Zorn des Padrone auf sich zieht.
Das Ganze geschieht in einem durch andere, davon unabhängige Vorkommnisse bereits erheblich aufgeheizten politischen Klima. Ende März finden in vielen Teilen Italiens wichtige Regionalwahlen statt, die zeigen werden, wie geschlossen die Wählerschaft weiterhin hinter dem Premier steht. Und von dem Ergebnis wird auch abhängen, wie weit die direkte Gefolgschaft des Ministerpräsidenten in der nächsten Zukunft seine Aktionen mitträgt – dem Parlamentspräsidenten Fini wird nachgesagt, dass er bereits vor einiger Zeit angefangen habe, vorsichtig eigene Wege zu gehen, was u.a. dadurch belegt ist, dass er verstärkt unabhängige, von Berlusconi nicht geteilte Positionen vertritt.
Und im Zusammenhang mit den Wahlen kam es in Latium zu einem Eklat, der die Nervosität im Regierungslager weiter verstärkt hat: Die Partei Berlusconis PDL erschien (wohl weil man sich zu lange um Listenplätze gestritten hatte) derart verspätet zur notwendigen offiziellen Anmeldung, dass das zuständige Büro bereits geschlossen war und somit die PDL in dieser Region von den Wahlen ausgeschlossen wurde. Zwar versuchte man, durch Anrufung zuerst des Staatspräsidenten (der sich für nicht zuständig erklärte) als auch der Gerichte doch noch eine Zulassung zu erreichen, aber es war alles umsonst: Die PDL bleibt draußen. Was zwar nicht bedeutet, dass nun die Kandidatin der Regierungspartei zu Hause bleiben muss (sie besitzt – eine weitere dieser Merkwürdigkeiten Italiens – eine eigene so genannte „Liste“ und kann also über diese gewählt werden). Aber für eine erhöhte Nervosität im Regierungslager und vor allem beim Ministerpräsidenten sorgt es doch.
Sind dies alles nun Zeichen, wie Massimo Salvadori in der Repubblica vom 17.03.2010 schreibt (und dabei Stefano Rodotà zitiert), der „Krise eines Regimes“? Die nun anstehenden Wahlen werden da wohl ein Zeichen setzen und die eine oder andere Klärung bringen. Wobei, wie Salvadori meint, ein für Berlusconi siegreicher Ausgang Alarm auf höchster Stufe auslösen und zu bislang noch unvorhersehbaren Konsequenzen führen dürfte.