Griechenland liegt nahe…
… jedenfalls an Italien. Voller Stolz verkündete Pdl-Sprecher Daniele Capezzone am 8. Mai in den 13.30 Uhr Nachrichten des italienischen ersten Fernsehprogramms, Ministerpräsident Berlusconi habe die anderen europäischen Regierungschefs davon überzeugen können, im Fall Griechenland dem bedrohten europäischen Partner entschieden zur Hilfe zu eilen – womit der große Staatsmann einmal mehr seine außerordentlichen Führungsfähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Was leider weitaus weniger in die Welt posaunt wird, sind die eigenen Probleme zu Hause, die auch nicht so ganz ohne sind und sehr stark an manche der einschneidenden Entscheidungen der griechischen Regierung erinnern – wenn sie denn nicht sogar gravierender sind.
So hat gerade der Aufsichtsrat der Universität von Siena beschlossen, den Sprachlektoren, deren Vertrag zur Verlängerung anstand, das Gehalt um ca. 50% zu kürzen (wogegen die 20%-Kürzung in Griechenland – für alle Staatsangestellten !) – wie ein Witz erscheint. Begründung: Es ist kein Geld mehr da, und somit beißen die Letzten die Hunde („letzte“ im Sinne der Unihierarchie). Noch Schlimmeres drohte im Februar der Universität Rom „Sapienza“, wo nur ganz knapp eine Katastrophe (momentan) abgewehrt werden konnte. Aufgrund eines Riesenlochs im Etat dieser größten Hochschule Europas, verursacht vor allem durch die unkontrollierbaren Ausgaben der Universitätsklinik, hatte der Rektor beschlossen, vom Verwaltungsrat die Bilanz nicht verabschieden zu lassen, womit automatisch sämtliche Aktivitäten der „Sapienza“ gestoppt worden und tausende von Angestellten, Professoren und sonstige Lehrtätige ohne Gehalt geblieben wären. Erst im letzten Moment konnte er von seinen Kollegen davon überzeugt werden, dass diese Maßnahme, mit der der Rektor gegen die einschneidenden Sparmaßnahmen der Ministerin Gelmini protestieren wollte, unabsehbare negative Folgen nach sich gezogen hätte.
Aber auch in anderen Bereichen sieht die Situation nicht viel besser aus. Wer sich in der Region Latium im März beim staatlichen Gesundheitsdienst für eine Ultraschalluntersuchung (sagen wir: der Niere) anmelden wollte, bekam die Information, dass die ersten freien Termine (nicht unbedingt in der Nähe des Wohnorts des Patienten) im Dezember zu haben wären. Wer die Möglichkeit besitzt, diese Leistung privat zu zahlen, wird allerdings innerhalb von 24 Stunden bedient, womit zwei Dinge bewiesen wären: 1. Wie unsozial (und potentiell gesundheitsgefährdend) der staatliche Dienst zumindest in Latium funktioniert, und 2. dass das Problem nicht an der Überforderung des Systems liegen kann. Der wahre Grund, Gerüchten zufolge, soll ein anderer sein: Das öffentliche Gesundheitssystem in Italien ist regional organisiert, und das von Latium hat es geschafft, allein die Hälfte aller landesweit aufgelaufenen Schulden (eine Summe im Milliardenbereich) in diesem Sektor aufzuhäufen. Und da spart man natürlich, wo man kann! Pech, wenn da mal eine Niere auf der Strecke bleibt.
Der italienische Ministerpräsident tut sicherlich gut daran, sich für Griechenland, die Verteidigung des Euros und die wirtschaftliche Stabilität Europas einzusetzen. Vielleicht würden es ihm aber auch viele danken, wenn er sich ab und an einmal um die Probleme im eigenen Hause kümmern würde, die auch nicht erst seit gestern bekannt sind.