Der letzte Konservative (2)
Die Sitzung des über 170-köpfigen PdL-Präsidiums am 22. April wurde zur Abrechnung. Die Regionalwahlen waren vorbei, eigentlich standen die lang angekündigten „Reformen“ auf der Tagesordnung. Aber im Vorfeld hatte der aufmüpfige Fini wider den Stachel gelöckt. Er kritisierte, die Initiative zu diesem Reformprozess der Lega zu überlassen. Schlimmer noch: Er kündigte die Bildung einer „Gruppe“ (einer „Corrente“) in der PdL-Fraktion an, um den parteiinternen Klärungsprozess mit eigenen Vorschlägen voranzubringen. B. reagierte, wie zu erwarten, mit schroffer Ablehnung. Wer eine solche Gruppe bilde, gehöre nicht mehr zur PdL. Und zeigte gleichzeitig, wo in der PdL der Hammer hängt. Eine Mehrheit der Parlamentarier und Senatoren, die bisher als „Finiani“ galten, unterschrieb wenige Tage vor dem 22. eine öffentliche Treue- und Unterwerfungserklärung gegenüber Berlusconi.
Eigentlich hatte Fini damit schon verloren, aber B. wollte mehr, er wollte ihn erledigen. Die Regie des 22. April sah deshalb vor: Erst eine Reihe von Beiträgen, in denen der „Sieg“ bei den Regionalwahlen bejubelt wird. Dann ein Beitrag von Fini. Darauf die Antwort von B. Und schließlich die Resolution, die Finis Position verurteilt.
Es war nicht auszuschließen, dass Fini in seiner Rede klein beigeben würde, um zu retten, was noch zu retten war. Allerdings hatte die Mehrheitsfraktion in der PdL auch für diesen Fall vorgesorgt und hämisch angekündigt, der springende Tiger werde als Bettvorleger landen.
Aber Fini machte keinen Rückzieher. In seiner Rede klagte er zunächst das Recht auf Dissens ein, womit er nur die Partei und den Reformprozess stärken wolle. Für Berlusconi – und die Mehrheit der Partei – war es eine Provokation, es traf B.s charismatischen Führungsanspruch, der keinen internen Dissens kennt, ins Herz. Aus dem Gesicht des auf dem Podium zuhörenden B. sprach der nackte Hass.
Dann ging Fini auf die bekannten Punkte seines Dissenses ein (siehe „Der letzte Konservative I“), nicht ohne sich mehrfach auf Grundsätze der EVP zu berufen: Staatlichkeit, Gewaltenteilung, Herrschaft des Rechts und Menschenwürde (auch von Immigranten). (Eigentlich müsste es unsere CDU interessieren, dass diese offiziellen EVP-Positionen in der PdL nur noch von einer Minderheit vertreten werden.)
Natürlich hatte Fini keine Chance. Die vom Direktorium eingebrachte Entschließung verurteilte alle diejenigen, die „persönlichen Ambitionen“ über den „Dienst am italienischen Volk“ stellten. Womit Fini gemeint war, nicht Berlusconi. Die Argumentation für das Gruppenverbot war wolkig, aber lief auf die These hinaus, wer dem Leader widerspreche, widerspreche dem Volk. Die Entschließung fand nur 11 Gegenstimmen (die Abstimmung war öffentlich, Dafür-Stimmen und Enthaltungen wurden nicht gezählt). Keine Rede davon, dass Fini einmal der designierte Nachfolger von B. war. Stattdessen forderte B. ihn auf, nun auch seine Funktion als Parlamentspräsident aufzugeben. Wozu B. übrigens keine institutionelle Handhabe hat, aber es zeigt seinen Allmachtswahn.
Wie ist das Ergebnis einzuschätzen? Es gibt Beobachter, auch in der „Repubblica“, die meinen, das Tabu von B.s „charismatischen Zentralismus“ sei nunmehr gebrochen, Finis Auftritt werde nachwirken. Ich bin nicht ganz so optimistisch. Fini ist zwar ein Kämpfer und will, wie es scheint, (vorerst?) in der PdL bleiben. Aber B. inszenierte Finis Verurteilung als Exorzismus. Dass es nur 11 Gegenstimmen gab, hat Gewicht, Fini ist nun vogelfrei. Seine weitere Demontage ist im Gange, das „Giornale“ gießt täglich Kübel von Häme über ihn aus.
B,s politisches Ziel ist ein großer Deal mit Bossi: B.s autoritärer Presidenzialismo gegen Bossis Föderalismus. Fini stand im Wege. Seit dem 22. April steht er nur noch am Rand.