Cosentino
Momentan hat B. keinen guten Lauf. Ein weiterer Mann seiner ehrenwerten Gesellschaft ist zurückgetreten. Erst Scajola und Brancher. Dann die Verurteilung von Dell’Utri. Und jetzt auch Nicola Cosentino, der sein Amt als Unterstaatssekretär aufgeben musste.
Wer ist Cosentino? Auf den ersten Blick ein jüngerer, aber schon erfolgreicher Mann. Seit 1996 ist er Parlamentsabgeordneter, zunächst für Forza Italia, heute für die PdL. 2005 ernannte ihn B. zum kampanischen Koordinator der PdL. Woraufhin die PdL dort zur größten Partei wurde, ihr Stimmenanteil stieg in einem Jahr von 11 auf 27 %. So jemanden muss man fördern. Als B. 2008 seine neue Regierung bildete, wurde Cosentino Unterstaatssekretär.
Seine Karriere verdankt Cosentino wohl nicht nur dem eigenen Talent. Seit dem Herbst 2008 hat ihn die Justiz im Verdacht, mit der Camorra verbandelt zu sein, die seinen politischen Aufstieg von Anfang an unterstützte. Womit das „Wunder“ der PdL in Kampanien eine handfeste Erklärung fände (die Mafia bezahlt die Dienste der Politik mit Geld und mit Wählerstimmen). Cosentino stammt aus Casal di Principe, dem Stammsitz des Clans der „Casalesi“, dem er durch Einheirat auch verwandtschaftlich verbunden ist. Ins Visier der Justiz geriet er, als sie Licht in den himmelschreienden Müll- (und Umwelt-) Skandal bringen wollte, von dem Kampanien seit mehreren Jahren heimgesucht wird. Cosentino soll die Camorra beim illegalen Recyceln giftiger Abfälle unterstützt haben. Als die Justiz im Herbst 2009 Cosentino wegen „Beihilfe für eine camorristische Vereinigung“ in Untersuchungshaft nehmen wollte, blockierte die Berlusconi-Mehrheit die Aufhebung seiner Immunität. So blieb er auch Unterstaatssekretär.
Im Frühjahr 2010 gab es in Italien Regionalwahlen, Cosentino wollte nun auch kampanischer Regionalpräsident werden. Aber da die Regionalpräsidenten direkt vom Volk gewählt werden, musste er dafür erst einmal Kandidat der PdL werden. Ein Kreis einflussreicher Herren unterstützte ihn – mit einem zuverlässigen Mann an der politischen Spitze blühen die Geschäfte, gerade auch im Dunstkreis der Camorra. Aber es gab Schwierigkeiten: Einige Wahlstrategen der PdL hielten es für klüger, als PdL-Kandidaten ein „unbeschriebenes Blatt“ zu präsentieren. Ihre Alternative war ein Mann namens Stefano Caldoro. Das aber wollten Cosentino und der ihn unterstützende Kreis nicht hinnehmen. Ihre grandiose Idee: Um Caldoro als Kandidaten auszuschalten, erstellten sie ein (offenbar weitgehend erfundenes) Dossier, das ihn als Schwulen „entlarvte“, der mit Transsexuellen verkehrte. Das Anfertigen solcher Dossiers hat innerhalb der PdL Tradition, siehe den Fall Boffo. Um ganz sicher zu gehen, wurde eingestreut, dass auch Caldoro Kontakte zur Camorra habe (nach dem Motto: Spricht dies gegen Cosentino, dann bitte sehr auch gegen Caldoro). Geplant war zunächst „nur“ eine einfache Erpressung: Caldoro sollte das Dossier vorgelegt werden und dieser daraufhin seine Kandidatur „freiwillig“ zurückziehen. Wenn das nicht reichte, sollte das Dossier, auf welchen Wegen auch immer, der Öffentlichkeit zugespielt werden.
Die Sache funktionierte nicht. Caldoro stellte sich taub und hatte plötzlich hartnäckige Fürsprecher vom Fini-Flügel der PdL. Er blieb Kandidat und wurde auch gewählt. Schlimmer noch: Die Telefongespräche, die Cosentino und sein Unterstützerkreis geführt hatten, als sie mit der Anfertigung des Dossiers gegen Caldoro beschäftigt waren, hatte die Polizei mitgehört und wurden von oppositionellen Zeitungen Wort für Wort dokumentiert. Cosentino hatte den Bogen überspannt, auch Teile der PdL revoltierten gegen ihn. Als Unterstaatssekretär musste ihn B. fallen lassen. Wohlgemerkt: nicht wegen seiner Verbindung zur Camorra, sondern wegen seiner Dossier-Sammlung gegen Caldoro.
Das Tischtuch zwischen Berlusconi und Mafia ist damit nicht zerschnitten. B. forderte inzwischen Cosentino auf, seine Tätigkeit als PdL-„Koordinator“ fortzusetzen. Man kann unterstellen: nicht trotz, sondern wegen der spezifischen Verbindungen, über die Cosentino in Kampanien verfügt. Man braucht sich ja gegenseitig.