Noch ein Ermittlungsverfahren
Zumindest in der Öffentlichkeit lässt sich B. nie auf die Frage ein, ob er zu Recht oder zu Unrecht immer wieder ins Visier der Justiz gerät. Er hat eine andere Methode, und die ist ebenso schlicht wie wirkungsvoll: sofortiger Gegenangriff, ohne jede Hemmung, am liebsten persönlich. Im schon länger anhängigen Fall Mediaset ist er angeklagt, Steuerhinterziehung großen Stils begangen zu haben, indem er beim Ankauf von Fernsehrechten Bilanzen mit überteuerten Rechnungen fälschte und schwarze Kassen anlegte. Zu den Anhörungsterminen erschien er nicht, mit der Begründung, er müsse „Regierungsgeschäften nachgehen“, wozu er sich mit dem Gesetz über die „legitime Verhinderung“ bekanntlich die maßgeschneiderte Möglichkeit geschaffen hat. Und behauptet gleichzeitig, der Mailänder Staatsanwalt Fabio De Pasquale, der im Fall Mediaset ermittelt, wolle ihn aus persönlichem und politischem Hass zur Strecke bringen. Gegenüber ihm legte B. bei einem Fest seines „Freiheitsvolks“ noch nach: Von De Pasquale wisse man ja, dass er aus „Infamie“ auch schon andere von ihm Verfolgte „in den Selbstmord trieb“. (Was übrigens nachweislich falsch ist.)
Die zweite Waffe, die B. und seine Leute neben der persönlichen Verunglimpfung einsetzen, ist die Unterstellung des politisch motivierten „Komplotts“. Als vor wenigen Tagen nun auch die römische Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnete, in dem es um die Mediaset-Affäre geht, lud sie Berlusconi, seinen Sohn Piersilvio und andere Mediaset-Verantwortliche zur Vernehmung am 26. Oktober vor. Niemand rechnet wohl damit (auch die Staatsanwaltschaft nicht), dass B. und sein Sohn zu dem Termin erscheinen werden. Trotzdem hat er eine für B. unerfreuliche Konsequenz. Eigentlich rechneten er und seine Anwälte damit, dass die Straftatbestände, um die es im Mediaset-Prozess geht, durch ihre Verzögerungstaktik bis zum Jahresende verjähren würden. Leider hat die erneute Vorladung dafür eine aufschiebende Wirkung, vielleicht sogar um zwei Jahre. Das ist ausgesprochen ärgerlich. B. gedenkt zwar, noch länger im Amt zu bleiben – ab 2013 vielleicht nicht mehr als Regierungschef, sondern als Staatspräsident, der dafür allerdings noch erweiterte Vollmachten erhalten müsste. Aber auch er muss ja mit allem rechnen, zumindest seitdem Fini begonnen hat, aus der Reihe zu tanzen. Aber B. hat jetzt einen starken Grund mehr, um bis 2013 im Amt zu bleiben: Die „legitime Verhinderung“ greift nur, solange er im Amt ist. Um seine Geschäfte vor der Justiz zu retten, nicht zuletzt dafür ist er ja überhaupt in die Politik gegangen.
B.s Reaktion folgt dem üblichen Schema. Erneut kein Wort dazu, ob er tatsächlich Steuern hinterzog (und den italienischen Steuerzahler in diesem Fall um die Kleinigkeit von 16 Millionen Euro brachte). Das überlässt er seinen Anwälten. Stattdessen ließ er verlauten, „sie“ – das heißt die römischen Staatsanwälte, die „hinter“ der neuen Vorladung stehen – „haben kapiert, dass wir mit der geplanten Justizreform ihre Macht und ihre Privilegien antasten wollen. Damit haben sie die Gegenoffensive eröffnet, sie wollen die Regierung stürzen“.
In einem Fall liegt es an persönlichem Hass, im anderen Fall am Kampf um den Erhalt von Privilegien, warum es immer noch Verfahren gegen ihn gibt.
Dass es einfach um das Recht gehen könnte, liegt außerhalb von B.s Horizont. So tut er alles ihm Mögliche, um das öffentliche Ansehen der Justiz auf den Hund zu bringen. Ihm ist einiges möglich, dazu steht ihm ja eine riesige Medienmaschine zur Verfügung.