Lega-Sonne in der Schule
Über Herrn Lancini, den Lega-Bürgermeister der Kleinstadt Adro bei Brescia, berichteten wir bereits. Er war es, der in einer Schule Kindern den Zugang zur Mensa verweigerte, deren Eltern mit der Beitragszahlung im Verzug geraten waren, und der an die örtlichen Verkehrspolizisten Kopfprämien für die Denunziation illegaler Migranten verteilte. Zu Beginn des neuen Schuljahres sorgte er wieder für einen Eklat. Als eine neue Mittelschule eröffnet wurde, die dem (auch bei der Rechten) umstrittenen Lega-Ideologen Gianfranco Miglio gewidmet ist, zeigte es sich, dass sie bis in den letzten Winkel mit dem Parteisymbol der Lega – der grünen „Alpensonne“ – übersät ist. Auf dem Dach, allen Schulbänken, Türen, Fenstern, gar auf Mülleimern und Fußabtretern lacht Kindern, Eltern und Lehrern sage und schreibe siebenhundertmal die Lega-Sonne entgegen. Dass eine öffentliche Schule weltanschaulicher und parteipolitischer Neutralität verpflichtet ist, kümmert Bürgermeister Lancini nicht. Er behauptet einfach, die Alpensonne sei gar kein Parteisymbol, sondern ein altes Logo der Gemeinde Adro. Tatsache ist, dass die Lega im Jahr 1998 exakt jenes Symbol offiziell als ihr Logo registrieren ließ. Das Logo der Gemeinde Adro ist ein großes von Weintrauben umkränztes „A“ – von Alpensonne keine Spur.
Die Sache ist keine Lappalie, sondern ein Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze. Vertreter der Opposition erinnerten daran, dass Parteisymbole in staatlichen Schulen nur aus totalitären Regimen bekannt sind, wie z.B. Nazideutschland und der Sowjetunion, und forderten die Intervention der Regierung. Die zuständige Ministerin Gelmini (PdL) wiegelte zunächst ab. Sie ließ verlauten, dass „natürlich“ Parteisymbole in öffentlichen Schulen fehl am Platze seien, sie aber „keinen Grund“ sehe, an den Erklärungen des Bürgermeisters zu zweifeln. Erst als öffentlich belegt worden war, dass die Lega das Symbol als ihr Logo registriert hatte, und vor allem nachdem es zu wachsenden öffentlichen Protesten gekommen war, sah sich die Ministerin genötigt, den Bürgermeister in einem Brief um die Entfernung der „Alpensonne“ aus dem Schulgebäude zu „bitten“. 185 Eltern forderten in einem offenen Brief die Regierung zur Intervention auf, Bürgerinnen und Bürger demonstrierten gegen die „Leghisierung“ der Schulen und schwenkten demonstrativ die italienische Nationalfahne. Parteien und Verbände formulierten Protesterklärungen und Parlamentspetitionen, die Zeitung „Il Fatto Quotidiano“ sammelte in wenigen Tagen über 50.000 Unterschriften.
Der Bürgermeister zeigte sich über den Brief der Ministerin „überrascht“ und verkündete, er würde die Symbole nur dann entfernen, wenn „mein Parteisekretär Bossi es von mir verlangt“. Will sagen: Die Instanz, die er anerkennt, ist Lega-Chef Bossi, auf Staatsmacht und Verfassung pfeift er. Um von Bossi Anweisungen zu erhalten, fuhr er nach Mailand zur Lega-Parteizentrale. Aber sein Chef, dem die Heldentaten des Adro-Bürgermeisters langsam auf die Nerven gehen, war für ihn nicht zu sprechen. Er ließ nur aus der Ferne verlauten, der gute Mann hätte wohl „ein bisschen übertrieben, einmal Alpensonne hätte auch gereicht“.
Nach massivem Drängen von Eltern und Oppositionsvertretern, endlich zu handeln und es nicht bei höflichen ministeriellen Briefen zu belassen, schalteten sich inzwischen auch die örtliche Schulbehörde und die Präfektur ein. Sogar Staatspräsident Napolitano, an den sich Eltern gewandt hatten, äußerte sich indirekt über seinen Chefsekretär. Er sei der Auffassung, „dass in öffentlichen Gebäuden kein Parteisymbol die nationalen und staatlichen Symbole ersetzen könne und diese nicht Gegenstand von Provokationen sein dürfen.“
Indessen wartet der Bürgermeister auf „Anweisungen meines Parteiführers“. Da diese (bisher) nicht eingingen, ließ er mitteilen, er sei mit einer Entfernung der 700 Symbole einverstanden, um gleich danach dreist zu fragen, wer dafür die Kosten (angeblich etwa 30.000 Euro) tragen werde. Das muss man sich mal vorstellen: Erst verschandelt er eine öffentliche Schule gesetzeswidrig mit Parteisymbolen, dann will er sich ihre Beseitigung auch noch vom Staat – das heißt von den Steuerzahlern – bezahlen lassen.
Entschieden ist der Streit, der inzwischen schon einen Monat dauert, noch nicht. Die 700 Alpensonnen scheinen immer noch in Adros Schule.