Abgeordneten-Shopping

Die Vertrauensabstimmungen sind entschieden, B. hat gewonnen. Im Senat mit klarer Mehrheit (162 zu 135, 11 Enthaltungen), im Parlament mit einer nur knappen, nur relativen Mehrheit (314 zu 311, zwei Enthaltungen). Aber er hat es noch einmal geschafft.

Die Vorgeschichte beweist die zynische Wahrheit, dass alles käuflich ist. Zumindest, wenn Milliardäre im Spiel sind. In den letzten Wochen stand Abgeordnetenkauf auf dem Programm, es wurde gefeilscht wie auf dem Pferdemarkt. Da über Misstrauensanträge nicht geheim abgestimmt wird – man defiliert am Präsidiumstisch vorbei und verkündet „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ -, sieht sich mancher Abgeordnete genötigt, sein Verhalten schon vorher zu begründen. Er weiß, es wird sowieso öffentlich. Das macht gesprächig.

Mitte September berichtete der Abgeordnete Antonio Razzi, der bisher der oppositionellen IdV („Italien der Werte“) zugerechnet wurde, in einem Radiointerview, wie er vom Paulus zum Saulus umgedreht wurde: „Ein paar Leute von der PdL nahmen zu mir Kontakt auf. Die konkreten Angebote, die sie mir machten, waren ein Listenplatz und die sichere Wiederwahl, diesmal in einem italienischen Wahlkreis (Razzi war zuvor im Wahlkreis Europa für Auslandsitaliener gewählt worden). Als ich ihnen sagte, dass ich in Pescara ein Haus habe, für das ich noch ein Darlehen von 150.000 € zurückzuzahlen habe, sagten sie: ‚Wo liegt das Problem? Das begleichen wir’“.

Die Wucht des Geldes. Massimo Calearo, ehemals PD, dann API (mit Rutelli), nun im freien Fall Richtung B., erzählte vor einer Woche: „Im Moment liegen die Preise zwischen 350 000 und einer halben Million. Ich denke, dass die Quoten in den nächsten Tagen noch weiter ansteigen. Das sind jetzt die Preise dafür, dass sich ein noch Unentschiedener überzeugen lässt, für B. zu stimmen“.

Mit Geld locken, mit Vernichtung drohen. Als B. witterte, dass es ihm vielleicht doch gelungen war, sich wieder eine Mehrheit zusammenzukaufen, kündigte er der Fini-Gruppe die definitive Exkommunikation an: „Wer für das Misstrauen stimmt, wird nie mehr zu Mitte-Rechts gehören“. Der FLI-Abgeordneten Catia Polidori, einer Unternehmenserbin, wurde damit gedroht, dass man für die Schließung ihres Unternehmens (eine Privatschule) sorgen werde, wenn sie gegen B. stimmen würde. Sie entschied sich über Nacht, für ihn zu stimmen.

Inzwischen ist sogar die Staatsanwaltschaft wegen dieser Vorgänge aktiv geworden – auch in Italien sind Erpressung und Abgeordnetenbestechung Delikte. Was den PdL-Chor zum Aufheulen brachte, der Sand im Getriebe der gerade laufenden und so gut geölten „Überzeugungs“-Kampagne befürchtete. Eine „unerträgliche Einmischung in die liberale demokratische Dialektik“ sei das. Was schon fast die Wahrheit ist. Es ist eine Einmischung in den liberalen Abgeordneten-Markt, wo der Preis im „freien“ Spiel von Angebot und Nachfrage entschieden wird.

Durch den Reichtum und die Medienmacht von B. kommt eine Schräglage in die italienische Politik, der sich kaum ein Akteur entziehen kann. Fini kann man nicht vorwerfen, sich noch über B. Illusionen zu machen – in einer Video-Botschaft erklärte er am Wochenende, dass B. nur deshalb Ministerpräsident bleiben wolle, weil es in diesem Amt „die legitime Verhinderung gibt, mit denen er sich den Prozessen entziehen kann“. Aber ein Teil seiner Leute – die „Tauben“-Fraktion der FLI – schreckte bis zuletzt vor dem definitiven Bruch zurück. Was wiederum Fini, der seine Gruppe zusammenhalten möchte, zu Kompromissangeboten zwang, die mit seiner Einschätzung von B. eigentlich nicht zu vereinbaren sind.

Was wird jetzt geschehen? B. ist noch an der Macht, Fini geschwächt. Auch B.s Mehrheit im Parlament ist schwach, er wird bei jeder Abstimmung um sie zittern müssen. Also wird es bald Neuwahlen geben. Aber die Hoffnung der Opposition, vorher ein anderes Wahlgesetz durchzusetzen, hat sich erst einmal verflüchtigt. B.s Einsatz zahlt sich aus.