Italienische Unternehmen werden schwächer
Politökonomische Betrachtungen (4)
Wirft man einen Blick auf den Bereich der Produktion von Gütern und Dienstleistungen (also auf den Bereich, der gemeinhin als „die Wirtschaft“ bezeichnet wird), so sind hier die Aussichten noch düsterer als bei den privaten und öffentlichen Haushalten. Ein paar Beispiele: Mit leichten Variationen geht die Produktion – inflationsbereinigt – seit einem Jahrzehnt langsam aber stetig zurück. Markanter ist der Rückgang mit fast drei Prozent in den letzten beiden Jahre ausgefallen. Dieser Rückgang ist nicht nur relativ, sondern inzwischen auch absolut. Das bedeutet, dass das Wachstum der italienischen Wirtschaft im Vergleich zu den anderen Industrienationen nicht nur immer langsamer wurde, sondern sogar schrumpfte, um auf niedrigerem Niveau zu stagnieren.
Als im September 2008 die „internationale Finanz- bzw. „Subprime“-Krise ausbrach, behauptete die Regierung Berlusconi, dass Italien davon nicht betroffen sei, da sich das Land und sein Finanzgewerbe „klüger verhalten hätten“ als anderswo. Heute verkündet B., dass die schlechten Wirtschaftsdaten, die die statistischen Institute veröffentlichen, eine Folge der internationalen Wirtschaftskrise seien. Trotzdem lässt die Regierung über alle Medien verbreiten, dass Italien diese Krise (die es angeblich gar nicht gab) dank ihrer Arbeit besser gemeistert habe als die anderen Industrieländer.
Während die deutsche „Wirtschaft“ wieder boomt und ihr ein Wachstum von rund 4% prognostiziert wird, traut man der italienischen Wirtschaft höchstens eine Verbesserung von 0,2% zu. Angesichts einer für 2010 geschätzten Inflationsrate von 1,2 bis 1,5 Prozent kann von einem realen Wachstum nicht die Rede sein. Der seit Jahren anhaltende Trend, dass die Inflationsrate über der Wachstumsrate liegt, betrifft ausnahmslos alle Bereiche – vom primären Sektor (Bergbau, Landwirtschaft) über die Industrie (Konsum- und Investitionsgüter) bis zum tertiären Sektor (Handel, Tourismus etc.). So ging FIATs Marktanteil in Italien (trotz Übernahme aller anderen italienischen Marken wie Alfa, Lancia, Ferrari etc.) in den letzten Jahrzehnten stetig zurück. Und lag er 2000 immerhin noch bei 36 Prozent, so fiel er 2010 zum ersten Mal unter 30 Prozent. Hinzu kommt, dass aufgrund gesunkener Einkommen auch die Autoerstzulassungen in den letzten Jahren – trotz staatlicher Vergünstigungen – zurückgegangen sind und 2010 sogar um 25,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr einbrachen.
Einer der wesentlichen Gründe für diese Stagnation ist die mangelnde Produktivität mehr oder weniger aller Wirtschaftssektoren. (Auf ihre Ursachen werden wir später eingehen). Gelang es der italienischen Wirtschaft noch, ihre Produktivität bis zum beginnenden Globalisierungsprozess Anfang der 90er Jahre im Schnitt um jährlich 1,2 Prozent zu steigern, so nimmt diese seitdem beständig ab. Ende der neunziger Jahre lag der Produktivitätsanstieg bei Null, ins neue Jahrtausend startete man mit einem Minus von 0,5 Prozent. Dieser Trend hielt in den vergangenen zehn Jahren nicht nur an, sondern er beschleunigte sich sogar. So ist für den Zeitraum 2007-2010 ein Rückgang der Produktivitätsrate von 2,7 Prozent zu verzeichnen. Was zur Folge hatte, dass bei gleich bleibenden Rahmenbedingungen italienische Produkte gegenüber ausländischen Waren nicht mehr konkurrenzfähig sind. (Beispielsweise im Agrarsektor: Chinesische Tomaten kosten in einem Supermarkt in Rom weniger als die Hälfte, ägyptische Stangenbohnen ungefähr die Hälfte und argentinischer Knoblauch zwei Drittel der vergleichbaren heimischen Produkte. Importe aus der EU – wie Milch aus Deutschland, Joghurt aus Griechenland, Olivenöl aus Spanien – sind im Schnitt preislich immer günstiger als einheimische Waren).
Die mangelnde Konkurrenzfähigkeit spiegelt sich zum Teil deutlich in der Handelsbilanz wieder. Von einigen Ausnahmen abgesehen schließt sie in den letzten zehn Jahren im Defizit. So importierte Italien 2008 für rund 13 Milliarden Euro mehr Waren als es exportierte; 2009 betrug das Defizit 4,1 Milliarden. Dieser relative Rückgang ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Italiener sich weniger ausländische Produkte leisten konnten und die Importe um 23 Prozent abnahmen. Die Gesamtexporte sanken 2009 noch einmal um 21,4 Prozent. Zwar schlagen Energie/Rohstoffe (Erdöl, Erdgas) bei den Importen deutlich zu Buche, aber Italien führt auch immer mehr Produkte ein, die es früher exportierte, wie Metallerzeugnisse, chemische Produkte, Geräte aus den Bereichen Elektronik/Optik, Nahrungsmittel oder Textilien. An der Spitze der Lieferländer liegt Deutschland, gefolgt von Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Belgien.
Unterdurchschnittliche Produktivität und mangelnde Konkurrenzfähigkeit haben inzwischen auch beim Unternehmerverband „Confindustria“ die Alarmglocken läuten lassen. Mit Recht klagt er deshalb den italienischen Staat und die Berlusconi-Regierung an. Doch ohne dass sich auch in den Unternehmen selbst etwas ändert, wird der Abwärtstrend auch 2011 anhalten.
Teil 1: Wie bedrohlich ist die Wirtschaftslage in Italien?
Teil 2: Der italienische Bürger wird ärmer
Teil 3: Der kranke Staat im Belpaese