Wann, wenn nicht jetzt?
Vorbemerkung der Redaktion
Am 13. 2. werden in ganz Italien Frauen – und auch Männer – das Gesicht eines „anderen Italiens“ zeigen und „Basta!“ rufen. Bisher sind 117 Orte bekannt, an denen Versammlungen und Demonstrationen stattfinden: für die Würde der Frauen, für die Verteidigung der demokratischen Institutionen, für ein ziviles und würdiges Zusammenleben, gegen die Degradierung von Frauen zu „sexuellen Spielzeugen“ im Dienste der Mächtigen – vor allem des einen Mächtigen.
Wir veröffentlichen den Aufruf, der von unterschiedlichsten Gruppen, Initiativen, Parteien, Intellektuellen, Gewerkschaftlerinnen, Künstlerinnen, Journalistinnen und ganz einfach: italienische Bürgerinnen getragen wird. Viele der Frauen werden, wie am 30.1. in Mailand, weiße Schals tragen, die ihre Trauer über den Zustand des Landes symbolisieren.
Aufruf an die italienischen Frauen, am 13 Februar 2011 zu demonstrieren
In Italien arbeitet die Mehrheit der Frauen entweder im Beruf oder zu Hause, schafft Reichtum oder ist auf Arbeitssuche (jede zweite vergeblich), studiert, bringt Opfer, um sich beruflich zu behaupten, kümmert sich um die emotionalen und familiären Beziehungen, sorgt für Kinder, Ehemänner und alte Eltern.
Viele engagieren sich zudem im öffentlichen Leben, in Parteien, Gewerkschaften, Unternehmen, Verbänden und ehrenamtlichen Tätigkeiten, um die Gesellschaft, in der sie leben, zu bereichern und humaner zu gestalten. Sie bringen sowohl sich selbst als auch der weiblichen Freiheit und Würde, zu der viele Frauengenerationen beitrugen, Achtung und Respekt entgegen. Sie haben – auch daran sollte am 150sten Jahrestag der Einheit Italiens gedacht werden – die demokratische Nation mit aufgebaut.
Diese reichen und vielfältigen Lebenserfahrungen werden ausgelöscht durch die fortwährende, schamlose, hemmungslose Darstellung der Frauen als nacktes Sexualobjekt in Zeitungen, Fernsehsendern und Werbung. Das ist nicht mehr hinnehmbar.
Den jungen Generationen wird als Lebensmodell vorgeschlagen, glitzernde Ziele und leichten Reichtum durch den Verkauf der eigenen Schönheit und Intelligenz an die jeweils Mächtigen zu erreichen, welche dafür ihrerseits materielle Belohnungen oder öffentliche Posten zur Verfügung stellen.
Diese Mentalität und die sich daraus ergebenden Verhaltensweisen sind dabei, das gesellschaftliche Zusammenleben und das bürgerliche, ethische und religiöse Bewusstsein unseres Landes zu vergiften.
So, fast ohne es zu merken, haben wir bereits die Grenzen des Anstands überschritten.
Das Modell des Verhältnisses zwischen Frauen und Männern, das einer der höchsten Amtsinhaber dieses Staates offen vorlebt, wirkt sich tief auf die Lebensstile und Kultur unseres Landes aus und legitimiert Verhaltensweisen, die sowohl die Würde der Frauen als auch die der Institutionen verletzen.
Wer weiterhin schweigen, unterstützen, entschuldigen und die aktuellen Geschehnisse als Privatangelegenheit verharmlosen will, muss bereit sein, dafür auch die schwere Verantwortung zu übernehmen, nicht zuletzt gegenüber der internationalen Öffentlichkeit.
Wir rufen alle Frauen, ohne jegliche Unterscheidung, auf, ihre und unsere Würde zu verteidigen. Und den Männern sagen wir: Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit, ihre Freundschaft zu den Frauen unter Beweis zu stellen?
Die Verabredung gilt: am 13. Februar in jeder italienischen Stadt!