Geld und Macht
B. hat „wahrscheinlich“ Erfolg, „angesichts der Verführungsmöglichkeiten, über die ein Regierender mit einer derartigen Medien- und Finanzmacht verfügt und denen man sich vorsichtshalber nicht direkt widersetzt“ (Gianfranco Fini im „Secolo“ vom 18. Februar 2011 über B.s neue Regierungsmehrheit).
Was König Midas berührte, wurde zu Gold, und ihm selbst bekam es gar nicht gut. B. ist Milliardär, und auch bei ihm verwandelt sich alles, was er anfasst. In seinem Fall in Gift. Ihm selbst bekommt es, aber nicht der italienischen Demokratie.
Wir berichteten vor Monaten über die „Aktion Abgeordnetenkauf“, die B. begann, nachdem er die Fini-Gruppe aus Partei und Koalition geworfen hatte. Der Rauswurf schien für B. zunächst ein Selbsttor, da er ihn die parlamentarische Mehrheit kostete. Aber B. wusste Rat – wozu ist er Medienzar und Milliardär? Einerseits entfachte er gegen Fini eine beispiellose Schmutzkampagne, um ihn zu isolieren. Andererseits schickte er Emissäre los, mit Geld, sicheren Wahlkreisen und Posten im Portefeuille, um Überläufer einzukaufen. Diejenigen, die sich „überzeugen“ ließen, fasste B. in einer neuen Gruppe namens „Die Verantwortlichen“ zusammen. Sie sind nun das „dritte Bein“ seiner Regierungskoalition, neben PdL und Lega.
B. kennt keine Scham. Seitdem die Aktion läuft, gibt es fast täglich Meldungen über neue Aquisitionen. Nach der letzten hat B.s Koalition inzwischen wieder 320 Parlamentarier beisammen (mit weiter steigender Tendenz) – 4 mehr als die 316, die für die absolute Mehrheit benötigt werden. Noch mehr dürften ihn die kollateralen Wirkungen der Aktion erfreuen. Denn die Gruppe der Fini-Anhänger (FLI), die im Parlament zunächst über 38 Abgeordnete verfügte, bröckelte inzwischen auf nur noch 32 ab. Im Senat gelang es B. sogar, die FLI-Gruppe unter 10 Abgeordnete zu drücken, womit sie den Fraktionsstatus verlor. Der Gründungsprozess der FLI ist vom Spaltpilz bedroht. „Die FLI zerquetschen wir“, so die Quintessenz.
Aber auch in den klassischen Oppositionsfraktionen wurden B.s Emissäre fündig. Spektakulär ist ihr Erfolg im Fall der IdV (Italia dei Valori). Ist es nicht gerade ihr Vorsitzender Di Pietro, der besonders kompromisslos gegen B. auftritt? Umso demütigender ist es, dass bei der Vertrauensabstimmung am 13. Dezember (die B. im Parlament knapp gewann) eine ganze Reihe von IdV-Abgeordneten in B.s Lager überlief.
Die Situation ist paradox: Im Lande verliert B. an Konsens, und in einer „normalen“ Demokratie würde das auch im Parlament spürbar werden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Mit seiner Medienmacht und seinen Milliarden hat er es geschafft, hier seine Position sogar zu festigen. Nun kann er sich den Projekten zuwenden, die ihn von allen juristischen Fesseln und Gerichtsverfahren befreien sollen und die er in den vergangenen Monaten in der Schublade verschwinden ließ: Verjährung seiner Verfahren, Immunität, erschwerte Abhöraktionen, Umkrempelung des Verfassungsgerichts, Justizreform. Alles im ureigensten Interesse. Dafür scheint nun die Bahn frei, denn den Legalisten Fini ist er losgeworden. Von der Gruppe der „Verantwortlichen“, die ab sofort die Gruppe um Fini ersetzt, erwartet er keinen Widerstand, sie ist ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Italien ist keine normale Demokratie. Die Aktion Abgeordnetenkauf geht weiter und löst kaum Empörung aus. Dass Politiker gewählt werden, weil sie für irgendeine Überzeugung stehen, scheint vergessen. Das ist einer der Kollateralschäden von B.s „Anomalie“.