Die Zähmung der Talkmaster
In einem Land, in dem es immer noch demokratische Traditionen gibt, ist der Übergang zu einem autoritären Regime nicht mit einem Federstrich zu bewerkstelligen. B. hat zwar nicht nur sein privates Medienimperium, sondern auch die politische Macht. Aber sein Zugriff auf das staatliche Fernsehen ist ihm noch nicht vollständig genug.
Obwohl er hier eigentlich schon viel erreicht hat. Die wichtigsten Nachrichtensendungen, vor allem die der RAI 1, befinden sich fest in der Hand seiner Statthalter. Die Nachrichten werden gefiltert und manipuliert, das Ergebnis ist Hofberichterstattung. Aber es gibt noch Inseln der Kritik, vor allem auf dem Gebiet der Dokumentation („Report“), der Talkshows und der Satiren, mit teilweise hohen Einschaltquoten. B.s Anläufe, Moderatoren wie Santoro einfach durch Rausschmiss loszuwerden, scheiterten bisher an den Arbeitsgerichten. (Für B. ein Grund mehr, um die verhasste Justiz an die Leine zu legen).
Jetzt versucht er es auf einem anderen Weg. Er führt über die parlamentarische Kommission zur Überwachung des staatlichen Fernsehens, in der die Regierungskoalition die Mehrheit hat. Hier legte der PdL-Senator Alessio Butti einen „Leitlinien“-Entwurf vor, der es in sich hat. Das staatliche Fernsehen sei ein „öffentlicher Service“, der „das reale Land und nicht nur eine kulturelle Elite zu repräsentieren hat“. Der Entwurf klärt, was damit gemeint ist:
- Gegen die „Redundanz“: Wenn sich ein Moderator ein bestimmtes Thema vorgenommen hat, solle es für andere Moderatoren mindestens 8 Tage lang tabu sein. Was einem Berlusconi-hörigen Moderator wie Bruno Vespa, der täglich auf Sendung geht, die Möglichkeit gäbe, kritische Themen zu „besetzen“.
- Von der Polizei abgehörte Telefonate dürfen nicht durch Schauspieler nachgespielt werden – auch das eine Vorschrift pro Berlusconi und gegen Rubygate, und die Vorwegnahme eines von B. geplanten Gesetzesdekrets.
- Niemand darf Moderator sein, der schon einmal für eine politische Partei kandidiert hat. Das zielt direkt auf den verhassten Santoro, der sich in diesem Punkt „schuldig“ gemacht hat (er kandidierte früher einmal für eine Partei, es war nicht die PdL).
- Wenn in einer Satire-Sendung jemand von einem politischen Lager parodiert wird, ist in der gleichen Sendung auch jemand vom anderen Lager zu parodieren.
- Noch schöner: „Die Intervention eines Meinungsträgers zugunsten einer These ist dadurch auszubalancieren, dass angemessener Raum auch für die Darstellung anderer kultureller Sensibilitäten bereitgestellt wird“.
- Es sind TV-Formate zu bevorzugen, „bei denen im Studio zwei verschiedene Moderatoren unterschiedlicher kultureller Herkunft zugleich präsent sind“. Oder – ein nachträglicher Einfall von Butti – in denen „linke“ und „rechte“ Moderatoren wöchentlich alternieren.
- Vor allem sind bei den Ausstrahlungen „die Parteien nach Maßgabe ihres Konsenses bei den Wählern zu berücksichtigen“.
Der Moderator, der angesichts solcher „Leitlinien“ nicht die Lust an seiner Arbeit verliert, müsste wohl noch geboren werden. Sie gelten wohlgemerkt nicht für B.s private Fernsehsender. Und auch nicht für staatliche Nachrichtensendungen, die, wie gesagt, schon „ausgewogen“ genug sind. Sondern auf dem Gebiet der Dokumentationen, Talkshows und Satiren, wo es noch Inseln der Opposition gibt.
Wir werden sehen, was aus dem Antrag wird. In der Überwachungskommission verfügt B.s Koalition über eine 21:19-Mehrheit. Das Ganze erinnert an die Medienbehörde, die Viktor Orban in Ungarn einrichtete und mit eigenen Parteigängern besetzte. Auch dort im Namen der „Ausgewogenheit“. Viktor Orban ist ein erklärter Bewunderer von B. Im Gegenzug orientiert sich nun B. an Orban. Die EVP gibt beiden ihren Segen.