Kommunale „Schicksalswahl“
An diesem Wochenende wird in vielen italienischen Kommunen gewählt, B. hält es für eine Schicksalswahl. Obwohl er seine Koalition durch die Aktion Abgeordnetenkauf gerade neu gefestigt hat – der vorerst letzte Akt ging vergangene Woche über die Bühne, als er öffentlich 9 Staatssekretärs-Posten an die Überläufer aus dem Zentrum und aus der bisherigen Opposition verteilte, die er in der Gruppe mit dem schönen Namen „Verantwortliche“ zusammengefasst hat. Früher waren der Lohn 30 Silberlinge, heute ist es der Staatssekretär.
Trotzdem haben ihn die Meinungsumfragen der letzten Monate verunsichert, weshalb er mit seiner Drohung, notfalls Neuwahlen durchzuführen (wobei allerdings auch der Staatspräsident mitspielen müsste), vorsichtiger wurde. Auch deshalb hat er sich seine Mehrheit lieber zusammengekauft. Aber die anstehenden Kommunalwahlen lassen sich nicht umgehen, und da steht für ihn einiges auf dem Spiel. Zunächst einmal muss er den vielen, die ihn schon auf dem absteigenden Ast sehen, beweisen, dass er trotz Ruby immer noch siegen kann. Dann hat er einen Verbündeten, dessen Unterstützung er auf Gedeih und Verderb braucht, der aber gerade in Norditalien auch sein Rivale ist: die Lega. Ihrer weiteren Unterstützung kann er sich nur sicher sein, wenn er sich bei den Wahlen immer noch als Zugpferd erweist.
In den letzten Wochen haben sich die Wahlhoffnungen und -ängste beider Seiten, der Regierungskoalition wie der Opposition, immer mehr auf einen Ort konzentriert, in dem alles entschieden werden soll: auf Mailand. Mailand war für B. das geschäftliche und politische Absprungbrett, im Fall einer Niederlage könnte hier auch sein Niedergang beginnen. Es ist aber auch der Amtssitz der Staatsanwälte, die seine Ankläger sind. Es ist die zweitgrößte Stadt und das ökonomische Zentrum Italiens – der Ort, den auch die Lega gern in die Hand bekommen würde. Bei der letzten Kommunalwahl 2006 wurde hier Letizia Moratti (PdL) im ersten Wahlgang mit absoluter Stimmenmehrheit zur Bürgermeisterin gewählt, die Lega beschränkte sich auf die Rolle des Steigbügelhalters. Wenn die Moratti jetzt diese Mehrheit, die damals nur knapp über 50 % lag, im ersten Anlauf verlieren sollte (so dass es zur Stichwahl käme), wäre es für B. schon eine halbe Niederlage. Würde auch noch die Stichwahl verloren gehen, wäre es eine ganze.
Umso schriller sind jetzt B.s Versuche, seine Anhänger zu mobilisieren. Obwohl es nur Kommunalwahlen sind, sucht er sie zur Abstimmung über sich hochzubrezeln. Deshalb werden seine Angriffe auf die Staatsanwälte immer hysterischer. Sie sind ein „Krebs“, eine „Verbrecherbande“, über die eine Untersuchungskommission zu Gericht sitzen muss. Ihr entscheidet bei der Wahl zwischen den Staatsanwälten und mir, das ist seine Botschaft. Wobei er durchblicken lässt: Wenn er diese Wahlen gewinnt, kann er endlich die Justiz in die Knie zwingen. Wie ein Spieler, der alles auf eine Karte setzt, beginnt er auch, den Staatspräsidenten herauszufordern, der zu viele Kompetenzen habe und ihn, den vom Volk Gewählten, am Regieren hindere. (Womit er gleichzeitig erklären möchte, warum seine zweijährige Regierungsbilanz bisher so dürftig blieb). Für ihn selbst ist diese Strategie riskant, denn sie kann auch nach hinten losgehen. Gegenüber den demokratischen Institutionen ist es eine Strategie der verbrannten Erde. Für die politische Kultur Italiens ist sie zerstörerisch.
Die Wahl findet am 15. und 16. Mai statt. In Mailand haben sich die wichtigsten Parteien der Opposition auf Giuliano Pisapia als gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten geeinigt. B. nimmt ihn ernst, was sich auch daran zeigt, dass die Schlammschlacht gegen ihn in vollem Gange ist: In den 70er Jahren (!) sei er ein „Verbündeter der Extremisten“ (Berlusconi) und ein „überführter Dieb“ (Moratti) gewesen (es gab ein Verfahren, das mit einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld endete), jetzt wolle er den Bau von Moscheen durchsetzen, usw.
Dienstag werden wir mehr wissen.