Der Wind aus Mailand
„In Mailand handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Kommunalwahl. Es geht darum, mich und gegen die roten Staatsanwälte zu wählen“, erklärte B. noch wenige Tage vor der Wahl. Er und nicht die noch amtierende Bürgermeisterin Moratti führte in Mailand die Liste der PdL an. Hier begann seine wirtschaftliche und politische Karriere. Hier finden wichtige Prozesse gegen ihn statt. Und hier hat er gestern eine krachende Niederlage erlitten, deren politische Auswirkungen auf nationaler Ebene noch nicht absehbar sind.
Denn in der Wirtschaftsmetropole, traditionell eine Hochburg der Rechten, bekam der linke Oppositionskandidat Giuliano Pisapia 48,1 % der Stimmen, gegen nur 41,6 % von Letizia Moratti, der bisherigen PdL-Bürgermeisterin, die die Lega unterstützt. Pisapia erreichte nicht nur die Stichwahl – was allein schon ein Erfolg ist -, sondern geht mit ca. 6 Punkten Vorsprung in die Entscheidung. Wie sie in zwei Wochen ausgehen wird, ist allerdings noch offen. Viel wird davon abhängen, wem die Wähler des „zentristischen“ Terzo Polo (5,5 %) und des „Movimento 5 Stelle“ des Politdemagogen Beppe Grillo (3,1 %) ihre Stimme geben – wenn sie überhaupt zur Wahl gehen. Doch der Schlag für B. ist heftig. Bemerkenswert ist es, dass diesmal in Mailand auch die Lega Federn lassen musste: Gegenüber den Regionalwahlen von 2010 sank ihr Stimmenanteil von 14 auf 9,8 %. Bisher schien es fast ein Naturgesetz, dass die von der PdL verlorenen Stimmen „automatisch“ der Lega zugute kommen.
Das Mailänder Wahlergebnis verschärft die Spannungen zwischen Pdl und Lega. Noch schweigt Bossi, aber aus seiner Entourage kommt der dürre Kommentar: „Gemeinsam mit B. verlieren wir. Marschiert die Lega allein, gewinnen wir“.
Auch die Ergebnisse in den Städten Turin, Neapel und Bologna signalisieren, dass sich der Wind gedreht hat. In Turin setzte sich der PD-Kandidat deutlich (56,9 %) in der ersten Runde durch. In Bologna, wo der Kandidat der Rechten erstmalig von der Lega und nicht von der PdL gestellt wurde, hat es der PD-Kandidat knapp (mit 50,3 %) geschafft. Die größte Überraschung war hier der Erfolg des „Grillino“ Bugani (9,5 %).
In Neapel, das weiterhin unter stinkenden Müllbergen versinkt, hat zwar der PdL-Kandidat mit 38,2% am besten abgeschnitten, eine Stichwahl aber nicht verhindern können. Bemerkenswert ist, dass hier sein Konkurrent nicht der schwache PD-Kandidat (nur 19,1%) sein wird, sondern der charismatische ehemalige Richter De Magistris von der IdV (Italia dei Valori). Mit 27,9% hat er weit über die Anhänger seiner Partei hinaus Stimmen erhalten. Womit die örtliche PD abgestraft wurde, die in den letzten Jahren vor allem durch Querelen und Skandale und durch eine schlecht arbeitende Kommunalregierung auffiel. De Magistris hat es geschafft, sich sowohl gegenüber der mit der Camorra verbandelten Rechten als auch gegenüber der „traditionellen“ Linken als „neues, sauberes Gesicht“ zu profilieren und so die Stimmen vieler von der Politik „angewiderten“ Neapolitaner auf sich zu ziehen. Vielleicht kann er sich sogar in der Stichwahl behaupten.
Sind die Ergebnisse der „ersten Runde“ dieser Kommunalwahlen für die Regierungsparteien und insbesondere für B. besorgniserregend, so bescheren sie auch der PD als grösster Oppositionspartei Probleme. Pisapia in Mailand ist kein PD-Mann, sondern ein Vertrauter von Nichi Vendola (Sinistra, Ecologia e Libertà); De Magistris warf in Neapel den PD-Kandidaten aus dem Rennen; in Bologna wächst der Einfluss der „Grillini“. Und bei den Stichwahlen werden die „Zentristen“ um Casini und Fini versuchen, ihre Rolle als „Zünglein an der Waage“ auszuspielen. Nur in Turin, der einstigen „Hauptstadt der italienischen Arbeiterbewegung“, ist für die PD die Welt noch in Ordnung.
Die Auseinandersetzungen um gewünschte oder notwendige Koalitionen werden nach diesen Wahlen noch hitziger werden. Hoffentlich nicht noch zerstörerischer. Vielleicht – hoffentlich! – läutet der frische Wind aus Mailand trotz dieser komplizierten Lage eine neue Phase ein, in der Italien aus den dunklen Tagen des Berlusconismus herausfindet.