Italien ist nicht Griechenland, aber…
In einer Welt, die immer interdependenter wird, war schon lange zu erwarten, dass irgendwann das finanzielle Fieber Griechenlands auch andere Länder der EU ansteckt. Zu erwarten war auch, dass dessen fatale Auswirkungen zuerst Länder mit strukturellen Schwächen – wenig Wachstum, hohe Staatsverschuldung, ineffektive Regierung – treffen würden. In einer globalisierten und nur schwach regulierten Welt verhält sich die Finanzspekulation bekanntlich wie ein Räuber, der sich aus der Herde das schwächste Tier aussucht, um es zu jagen.
Der Angriff auf Griechenland war also nicht nur eine Probe auf die Widerstandskraft des finanziellen und politischen Systems Griechenlands, sondern auch auf die Reaktion der EU und insbesondere der Euro-Länder. Wer auf die griechische und europäische Schwäche spekuliert, kann nun mit Befriedigung bestätigt sehen, was auch schon vorher klar war: Es gibt keine europäische Führung, die diesen Namen verdient, sondern nur eine heterogene Gruppe von Ländern, deren Politik uneinheitlich ist, denen es schwer fällt, eine gemeinsame Linie zu finden, und die unpopuläre Entscheidungen lieber verschieben, statt Verantwortung zu übernehmen.
Während die griechischen Staatsanleihen zur Makulatur wurden und Europa, wenn auch nach heftigem Streit, unglaubliche Summen zu ihrer Rettung mobilisiert, schauen sich die spekulativen Märkte nach neuen Opfern um. Nachdem Irland, Portugal und Spanien in den vergangenen Monaten manchen schmerzhaften Prankenhieb bekamen, ist seit einigen Tagen nun auch Italien an der Reihe.
Zu Recht wird festgestellt, dass Italien nicht Griechenland ist. Das Bruttosozialprodukt Italiens ist fünfmal größer, seine Wirtschaft sicherlich solider. Aber Italien leidet derzeit unter einer der schlechtesten Regierungen seiner Geschichte, die bereits ihre Unfähigkeit unter Beweis stellte, die Krise ernsthaft zu meistern. Was nicht heißt, dass die italienischen Probleme erst mit Berlusconi und seiner Regierung begannen. Ihre Wurzeln liegen im politischen System der Ersten Republik, im vorherrschenden Klientelismus und in der Staatsverschuldung.
Allerdings trägt auch Berlusconi seinen Teil der Verantwortung. Auf die Finanzkrise von 2009 antwortete seine Regierung nicht mit einer Politik, welche Wachstum, Binnennachfrage und Export förderte. Sie hat in zwei Jahren wieder verspielt, was Prodis Mittelinks-Regierung zwischen 2006 und 2008 zusammengespart hatte. Das Haushaltsdefizit, das 2008, also im letzten Jahr der Prodi-Regierung, auf 2,7 % des BSP gesunken war, stieg wieder auf über 5 %. Und die Staatsverschuldung stieg von 106 auf 118 %.
Wenn, wie es scheint, die Spekulation demnächst auch Italien ins Visier nehmen wird, kann aus der ökonomisch-finanziellen sehr schnell auch eine politisch-institutionelle Krise werden. Leider scheinen dafür alle Voraussetzungen gegeben zu sein: Ein Premier ohne nationale und internationale Glaubwürdigkeit; eine Regierung, die mehr aus Haremssklaven denn aus Staatsdienern besteht; eine innerlich gespaltene Mehrheit, die sich nur dann zusammenschließt, wenn die Vertrauensfrage gestellt wird, um wenigstens an der Macht zu bleiben; und eine Opposition, die immer noch nicht Form und Inhalt einer starken und glaubhaften Alternative gefunden hat. Ein Szenario, in dem die Lega versucht sein könnte, die Flucht nach vorn anzutreten und die Sezession einzufordern, welche vor einigen Tagen die unter Bossis Rednertribüne versammelten Lega-Anhänger lauthals verlangten. Das Italien Berlusconis könnte in jenen politisch-institutionellen Abgrund stürzen, den viele befürchten, und zu einer Gefahr für ganz Europa werden.
Deshalb ist es dringlicher denn je, dass die Opposition die Voraussetzungen für eine verantwortliche und kompakte Regierung schafft, welche die schwierige Situation des Landes und das von B. hinterlassene Erbe bewältigen kann.