Das 750 Millionen Euro-Komma
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Soeben erreicht uns die Meldung, dass das Berufungsgericht im Fall De Benedetti gegen Berlusconi (bzw. CIR gegen Fininvest) entschieden hat, dass Berlusconi 540.141.059,32 € Entschädigung an De Benedettis CIR zu zahlen hat – als Entschädigung für den durch Richterbestechung eingesackten Mondadori-Verlag. Mit den Zinsen, die seit 2009 (Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils) aufgelaufen sind, handelt es sich um eine Gesamtsumme von etwa 560 Mio. €. Die Zahlung ist sofort zu vollstrecken, obwohl B.s Rechtsanwälte den Fall noch vor das Kassationsgericht bringen wollen.
Wir berichteten bereits: Unter dem Druck der Brüsseler Sparauflagen hat B.s Kabinett den Entwurf eines Haushaltsgesetzes vorgelegt, das für Millionen harte Einschnitte bedeutet. Die allerdings erst einmal um zwei Jahre verschoben wurden. Weil B. als guter „Landesvater“ seinen Landsleuten nicht weh tun mag? Weil er die Einschnitte nicht mehr innerhalb der laufenden Legislaturperiode vornehmen will, sagen Böswillige.
In einem Punkt hatte es B. eilig. Vor ein paar Tagen kam heraus, dass das etwa hundertseitige Konvolut ein merkwürdiges Detail enthielt, welches mit dem Haushalt nichts zu tun hatte. Im Kapitel mit der Überschrift „Maßnahmen zur Effizienz des Rechtssystems und beschleunigten Entscheidung von Konflikten“ war zwischen zwei Kommas eine neue Rechtsvorschrift versteckt: Gerichte, die in Zivilsachen über Zahlungsauflagen entscheiden, müssen die für Recht erkannte Zahlung bis zum Urteil der nächsthöheren Instanz aussetzen, wenn diese eine bestimmte Höhe übersteigt und der Zahlungspflichtige es beantragt. In der ersten Instanz, wenn sie 10 Mio., und in der zweiten Instanz, wenn sie 20 Mio. € übersteigt, und wenn der Zahlungspflichtige „angemessene Garantien“ bieten kann. Schon bisher hatten Zivilgerichte die Möglichkeit, derartige Zahlungsaufschübe zu gewähren, aber es war Sache des Richters, darüber nach Abwägung aller Umstände zu befinden, und nicht von der Höhe der Summe abhängig. Was dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung trägt, nach dem auch die Interessen „kleiner“ Schuldner und Kläger zu berücksichtigen sind.
Aber was kümmern einen Mann wie B. schon Gleichheitsgrundsätze? Bei ihm muss man nicht dreimal raten, um zu wissen, dass es wieder eine Maßnahme „ad personam“ war. Denn im Juli steht ein zweitinstanzliches Urteil an, das für B. teuer werden könnte: Es ist zu erwarten, dass er zur sofortigen Zahlung von 500 Mio., vielleicht sogar 750 Mio. € an den italienischen Geschäftsmann De Benedetti verurteilt wird. Dieser ist zu allem Überfluss sein politischer Intimfeind, ihm gehört die Tageszeitung „La Repubblica“.
Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Zu Beginn der 90er Jahre stritten sich Berlusconi und De Benedetti um einen fetten Happen, den Mondadori-Verlag, und es gelang Berlusconi, sich ihn zu schnappen. Das Mittel war ebenso schlicht wie altbewährt: Richterbestechung. Dies ist aktenkundig, weil die Sache später aufflog und der entscheidende Richter Vittorio Metta wegen passiver Bestechung in dritter Instanz zu zwei Jahren und 9 Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Zur entsprechenden Verurteilung von B. kam es nicht, weil sein Vergehen schneller verjährte (da er die Bestechung „nur“ über Mittelsmänner veranlasst hatte). Aber die zivilrechtliche Seite blieb zu klären, und so wurde B. vor zwei Jahren erstinstanzlich zur Zahlung von 750 Mio. € verurteilt, an De Benedetti als Entschädigung für die unrechtmäßige Aneignung von Mondadori. B. ging in Berufung, nun steht das zweitinstanzliche Urteil vor der Tür. Die Rechtslage ist eigentlich klar, und bei dem reichsten Mann Europas könnte der Richter auf sofortigen Zahlungsvollzug entscheiden.
B. schrie zetermordio, „jetzt gehen sie mir ans Eigentum“. Wobei er die Vorgeschichte verschwieg. Das neue Haushaltsgesetz kam ihm gerade recht. Versteckt im Lärm, welchen dieses Gesetz verursacht, und zwischen ein paar unscheinbaren „Kommas“ sollte mitbeschlossen werden, dass er vorerst nicht zu zahlen braucht. Für B. ist der Staat sein persönlicher Selbstbedienungsladen, falsche Scham ist nicht sein Problem.
B. hat es versucht, aber er kann sich nicht mehr alles leisten. Allzu groß war die Empörung über seinen Trick, mit dem er sogar seine Lega-Minister hinters Licht führen wollte – in dem vom Ministerrat verabschiedeten Gesetzesentwurf war der Passus offenbar nicht enthalten. B. hat ihn mit ein paar Vertrauten erst nachträglich eingefügt. Nun drohte der Staatspräsident, einem solchen „Haushaltsgesetz“ die Unterschrift zu verweigern, Finanzminister Tremonti wusste von nichts, und nicht nur die Lega, sondern auch die meisten Gefolgsleute von B.s eigener Partei gingen auf Distanz.
B. scheint im Ernst gehofft zu haben, dass es niemand merkt. Aber der Dieb wurde ertappt. Vor zwei Tagen erklärte er, alles wieder zurückzuziehen.