Der Sanierungsplan

Am vergangenen Freitag hat die Regierung Berlusconi ihre Pläne zur Sanierung des italienischen Haushalts auf den Tisch gelegt. „Mit blutendem Herzen“, wie B. bei der dazu gehörigen Pressekonferenz hinzufügte. Die Repubblica kommentierte: „Krokodilsblut“.

Denn als guter Populist gewann B. drei Wahlen mit der Ankündigung – an die er sogar sein politisches Schicksal band -, er werde niemals „die Hand in die Tasche der Italiener stecken“, sondern im Gegenteil die Steuern senken. Wirkliche Steuersenkungen hat es unter B. nie gegeben. Ein Land, in dem die Hälfte des Volkes – mit B. an der Spitze – Steuern hinterzieht, kann sie nicht senken. Jetzt müssen sie drastisch erhöht werden. Damit platzte auch B.s Last-minute-Idee: die Sanierung auf die Zeit nach der nächsten Wahl (2013) zu verschieben. Die Auflage der Finanzmärkte, der EZB und des Gespanns Sarkozy/Merkel war es nun einmal, sie sofort in Angriff zu nehmen.

Der Sanierungsplan, den Berlusconi und Finanzminister Tremonti jetzt, – nach einem ersten Anlauf im Juli – vorlegen, soll durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen den Haushalt um weitere 45 Mrd. € entlasten. Sie treffen vor allem die lohnabhängigen Mittelschichten, durch Maßnahmen wie:

  • den sog. „Solidaritätsbeitrag“, der noch am ehesten den Anschein erweckt, auch „Reiche“ einzubeziehen. Wer jährlich mehr als 90.000 € brutto verdient, dem werden vom überschießenden Betrag 5 %, wer mehr als 150.000 € verdient, 10 % abgezogen. „Greifen“ wird diese Maßnahme allerdings nur bei abhängig Beschäftigten. Die analoge Auflage für Selbständige wird kaum Wirkung zeigen, weil hier, wo der Steuerbetrug üblich ist, die deklarierten Jahreseinkommen im Durchschnitt bei 30 000 € liegen. Ähnlich wird auch die Erhöhung ihrer Einkommenssteuer verpuffen – sie gilt nur bei Jahreseinkommen von mehr als (deklarierten) 55.000 €.
  • Eine zweite Zielgruppe sind die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst (ÖD). Das bislang übliche 13. Monatsgehalt wird nur noch ausgezahlt, wenn die jeweilige Behörde die staatlichen Sparvorgaben umsetzt. Wer vorzeitig in Rente geht, dem wird die ihm zustehende Abfindung („Liquidazione“) erst zwei Jahre später ausgezahlt.
  • Die dritte Zielgruppe sind die Rentner. Die Lega hat durchgesetzt, dass die Renten, und zwar unabhängig von ihrer Höhe, unangetastet bleiben (was nicht unbedingt „gerecht“ ist, denn es gibt in Italien auch üppige Renten). Das Renteneintrittsalter für Frauen wird stufenweise auf 65 Jahre angehoben.
  • Arbeitnehmerrechte werden beschnitten und Entlassungen auch bei unbefristetem Arbeitsvertrag erleichtert.
  • Dass viele Verwaltungen verkleinert oder ganz aufgelöst werden sollen, ist gerade auf Provinzebene überfällig. Unabhängig davon müssen aber die Ministerien und Kommunen mit beträchtlichen Kürzungen rechnen, sie werden zur Privatisierung weiterer Dienstleistungen ermuntert. Das Ergebnis ist absehbar: Sie werden das fehlende Geld über erhöhte Gebühren und lokale Steuern wieder hereinholen, die lokalen Dienstleistungen werden sich weiter verschlechtern. Die Strukturhilfen für unterentwickelte Gebiete, insbesondere im Süden, werden noch schneller zurückgefahren als bisher geplant.

Die parlamentarische Debatte über diesen Sanierungsplan hat gerade begonnen. Klar ist, dass er mehr als einen Pferdefuß hat. Erstens ist fraglich, ob er die angepeilte Ersparnis von 45 Mrd. € überhaupt erreicht. Zweitens ist er ungerecht, weil er die benötigten 45 Mrd. € fast ausschließlich aus den abhängig Beschäftigten herausholen will (die Bischofszeitung „Avvenire“: „Alle müssen zahlen, nur die Steuerhinterzieher nicht“). Das ist B.s Handschrift: Die wirklich Reichen, die man nur über eine Vermögenssteuer zur Kasse bitten könnte, bleiben fast unbehelligt. Drittens ist es der Plan einer Regierung, die vielleicht den Haushalt ausgleichen, aber Italien nicht aus der Stagnation herausholen will. Bei den Infrastrukturen wird Italien weiter von der Substanz leben. Investitionen in Forschung und Entwicklung, Bildung und Ausbildung sind nicht vorgesehen.

B. und sein Finanzminister taten in den letzten Tagen so, als habe Italien ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen (Tremonti: „In fünf Tagen hat sich die Welt verändert“). Aber spätestens seit 2007, dem Beginn der globalen Finanzkrise, ist bekannt, welches Risiko in der Staatsverschuldung steckt. Sie bringt ganze Staaten in die Abhängigkeit der Finanzmärkte und ist in Italien besonders hoch. Es spricht nicht gerade für B.s Verantwortungsbewusstsein, dass er noch vor wenigen Wochen seinen Popularitätsschwund mit Steuersenkungen bekämpfen wollte und ihm die Haushaltssanierung erst von außen aufgezwungen werden musste.

Übrigens ließ Finanzminister Tremonti durchblicken, dass der (immer noch nicht veröffentlichte) Brief der EZB an die italienische Regierung auch sehr konkrete Forderungen enthielt, wie „Dienstleistungen privatisieren“ und „Entlassungen erleichtern“. Wenn dies wahr ist, dann nutzt die EZB die Gunst der Stunde, um längst zweifelhaft gewordene neoliberale Rezepturen durchzusetzen. Es wäre ein schmutziges Spiel.

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