Sezession und Durchfall
Wenn Umberto Bossi, der Guru von Cassano Magnago, spürt, dass seine Anhänger beginnen, ihm zu entgleiten, greift er immer zur gleichen Medizin: eine gute Portion Geschwätz, gefüllt mit “Sezession”. Die Wirkung ist, wie plötzlicher Durchfall, schnell und durchschlagend. Die brüllende Menge der anwesenden Padanier gerät in Trance und vergisst, dass die Lega Nord und ihr Führer für den politischen, kulturellen und ökonomischen Abstieg des heutigen Italiens durchaus mitverantwortlich sind.
In der letzten Zeit griff Bossi verschiedentlich zum Abführmittel Sezession, und zwar niemals zufällig. Er tat es, als es um die ökonomische Krise ging und er sich von den Missetaten der Regierung, zu der er selbst gehört, distanzieren wollte:
„Der arme Tremonti muss monatlich staatliche Schuldverschreibungen verkaufen, denn täte er es nicht, könnten keine Renten und keine Krankenhäuser mehr bezahlt werden, es wäre ein Desaster. Da es so weit gekommen ist, besser die Sezession, und zwar für den Süden wie für den Norden, mit klaren Vereinbarungen und in Freundschaft. Die Sezession wäre die beste Medizin“ (17. Juli 2011).
Kürzlich wiederholte er:
„Der Norden kann es sich nicht mehr erlauben, den ganzen Süden am Tropf der staatlichen Wohlfahrtsleistungen zu halten, und damit auch Rom, das nur so Hauptstadt bleiben kann“ – um dann aber optimistisch hinzuzufügen, dass „uns ein gutes Jahr bevorsteht, in dem sich Padanien herausbildet“ (16. September 2011).
Auch die kürzlichen Proteste gegen die sog. „Radrundfahrt von Padanien“, eine Lega-Veranstaltung, mussten für ihn dazu herhalten, um die Zerstückelung Italiens vorzuschlagen:
„Die Sezession ist die Lösung. Wie kann man in einem Land bleiben, das täglich ein Stück Demokratie verliert? Wenn jemand meint, es gäbe hier keinen Faschismus mehr, dann scheint es mir, dass er nur mit anderen Namen und anderen Gesichtern wiedergekommen ist, jetzt haben sie sogar die Rennfahrer der Padanienrundfahrt angegriffen!“ (18. September 2011).
Wie es sich für einen guten Demagogen gehört, wirft er den Stein, um dann sofort seine Hand zu verstecken. Er bleibt in der Regierung und trägt B.s Politik mit, während er auf der Straße die Massen wie ein Oppositionsführer aufwiegelt. Obwohl er jahrelang gegen „Roma ladrona“ (das diebische Rom) gewettert hat, nutzt Bossi die Macht mit der gleichen Rücksichtslosigkeit wie die schlimmsten Politiker der ersten Republik: Die Fälle seines Sohnes Renzo, seines erklärten Nachfolgers, der verschiedentlich mehrmals durchs Abitur fiel und trotzdem zum Regionsrat befördert wurde, und seines Bruders, der zum Assistenten eines Europa-Abgeordneten der Lega mit einem Monatsgehalt von über 12 000 € gemacht wurde, sind bekannt.
Bossi unterscheidet sich kaum noch von den Börsenspekulanten, die auf den italienischen Bankrott setzen: Sein Ziel ist es, das Land an den Rand des Abgrunds zu führen, um dann unversehens die Karte einer gefährlichen „Volks“erhebung aus dem Ärmel zu ziehen, aus der wie Phönix aus der Asche das Phantom „Padanien“ aufsteigen kann.
Es ist die Aufgabe der Demokraten, mit den Mitteln des Gesetzes und mit der Kraft des gesunden Menschenverstands zu verhindern, dass Italien in die Sackgasse der Sezession gerät.