Das Problem der PD
Die politische Kraft, die im Moment davon profitiert, dass die berlusconische Rechte zu zerfallen beginnt, ist der sog. „Dritte Pol“, und in ihm vor allem Casinis katholisch eingefärbte UDC. Auf der einen Seite klopft die Mehrzahl derer, die B. jetzt von der Fahne gehen, nicht bei einer „linken“ Partei an, sondern bei der UDC. Auf der anderen Seite geht der parteilose Mario Monti regelmäßig zur Messe, lässt sich privat den päpstlichen Segen geben und ernennt Professoren der Mailänder Katholischen Universität zu Ministern. Wer katholisch ist und politische Verantwortung übernehmen will, sammelt sich außerhalb des Berlusconi-Lagers. All das erhöht – direkt oder indirekt – die Attraktivität der UDC.
Mit der UDC hat eine Gruppierung, deren politische Bedeutung sich noch vor wenigen Monaten bestenfalls auf die Rolle des „Züngleins an der Waage“ zwischen zwei etwa gleichgroßen Machtblöcken zu beschränken schien, inzwischen ein Eigengewicht, das allen bipolaren Träumen (von rechts wie links) die Grundlage entziehen könnte.
Auch für die PD, der stärksten Kraft des Mitte-Links-Spektrums, scheint der Weg zur Überwindung des Berlusconi-Regimes nur über das Bündnis mit der UDC zu führen. Dass PD und UDC jetzt die überzeugtesten Anhänger der Regierung Monti sind, stärkt diese „Achse“. Will die PD ein Regierungsbündnis, das die nächste Wahl gewinnen kann, muss sie, so scheint es, fast um jeden Preis versuchen, die UDC einzubeziehen. Zumal die Gelegenheit günstig ist, da jetzt auch die UDC dies Bündnis befürwortet. Dass dabei das bisherige Mitte-Links-Bündnis, zu dem außer der PD auch Vendolas SEL und Di Pietros IdV gehören, auf der Strecke bleiben könnte, wird von der UDC gewünscht und von Teilen der PD-Führung in Kauf genommen.
Die Schwäche dieser Überlegung ist ihre Verengung auf künftige Regierungsbildungen und Allianzen. Eine Grunderfahrung des letzten Jahres wird ausgeblendet: die Aufbruchstimmung, die Italien im vergangenen Frühling erfasste. Ihr Protagonist war vor allem die junge Generation, die bei den Kommunalwahlen und Referenden begann, sich wieder in die öffentlichen Angelegenheiten einzumischen, im Interesse eines schon fast vergessenen Gemeinwohls. In ihrem Gefolge kam es zwischen den drei Oppositionsparteien zu einem Wechselspiel, das sie nicht nur enger zusammenschweißte, sondern auch „nach unten“ öffnete. Wodurch wieder möglich wurde, was schon fast verloren schien: bürgerliche Partizipation. Aus meiner Sicht wäre es verantwortungslos, dies jetzt wieder zu verspielen.
Die bisherige Opposition steht vor einer dreifachen Aufgabe. Erstens die gemeinsame Abwehr der akuten Finanz- und Wachstumskrise, welche die ganze Euro-Zone in den Abgrund reißen könnte. Zweitens ein Parteienbündnis, welches die nächste Wahl gewinnen kann. Drittens die schwerste Aufgabe, aber nicht weniger notwendig und dringlich: das Wegräumen der Trümmer, die das Berlusconi-Regime hinterließ. Es stimmt ja: Lüge und Korruption, Verantwortungslosigkeit und Verachtung des Rechts hat nicht erst B. erfunden. All dies gab es auch schon vor ihm und machte seinen Aufstieg erst möglich. Aber B. erhob es zur Staatsdoktrin. Um nicht nur Berlusconi, sondern auch den Berlusconismus zu überwinden, muss dieser Sumpf trocken gelegt werden. Es geht dabei um nichts Geringeres als eine Umwälzung, die die gesamte Gesellschaft erfasst. Niemand weiß, ob sie gelingt. Aber eines ist klar: Sie wird nur möglich sein, wenn beim Abschied von B. die Menschen nicht die Manövriermasse von Parteizentralen bleiben. Sie sind es, welche die „Kulturrevolution“ tragen müssen. Der Wille zu dieser Partizipation, das zeigte der Frühling, ist vorhanden.
Für die PD wird es nicht leicht sein, alle drei Aufgaben unter einen Hut zu bringen. Es bedeutet nicht, dass sie ihr Bündnis mit der UDC aufgeben müsste. Aber da die UDC lange zu Berlusconis Koalition gehörte (in verschiedenen Kommunen und Regionen bis heute) und dabei zum Teil von B.s „System“ wurde, ist sie kaum der geeignete Partner, um diese Umwälzung in Gang zu bringen. Denn diese wird sich auch gegen Teile der UDC richten müssen (wie sie auch die PD selbst nicht gänzlich unberührt lassen wird). Woraus folgt, dass die PD dem Bündnis mit der UDC weder ihre Kooperation mit IdV und SEL noch ihre Öffnung zu den „Bewegungen“ opfern sollte. Das ist nicht einfach, aber zur Überwindung des Berlusconismus notwendig.