Verfassungsgericht verwirft Referendum zum Wahlgesetz
Das italienische Verfassungsgericht hat entschieden, das von einer Volksinitiative geforderte Referendum über ein anderes Wahlgesetz dürfe nicht stattfinden. Die Volksinitiative, für die mehr als eine Million Unterschriften gesammelt wurde, wollte 1) das geltende Wahlgesetz, das von der Berlusconi-Regierung eingeführt wurde und „Porcellum“ (Schweinerei) genannt wird, abschaffen und 2) wieder zu dem vorher geltenden Wahlgesetz (nach seinem Initiator „Mattarellum“ genannt) zurückkehren.
Das Verfassungsgericht argumentiert, dass die Forderungen der Volksinitiative im Hinblick auf die Wiedereinführung des „Mattarellum“ die notwendige Klarheit vermissen lassen. Mit der Konsequenz, dass bei einem Erfolg der Volksabstimmung die Italiener kein gültiges Wahlgesetz hätten. Das sei verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Ein Wahlgesetz könne nur dann mithilfe eines Referendums abgeschafft werden, wenn es zum Zeitpunkt des Referendums eine Ersatzregelung gäbe, die sofort bei einer eventuellen Neuwahl in Kraft treten könnte.
Die Initiatoren des Referendums – Di Pietros IdV, Vendolas SEL, Teile der PD sowie die vielen ehrenamtlichen Helfer – waren erwartungsgemäß enttäuscht. Di Pietro sah durch die Entscheidung gar das ganze demokratische System gefährdet. Er forderte sofortige Neuwahlen und rief zu Protestdemonstrationen auf. Er wirft dem Verfassungsgericht eine „politische“ Entscheidung vor, die die Macht der großen Parteien festigen und der Regierung Monti jetzt die politische Auseinandersetzung um ein Referendum ersparen will.
Die PD reagierte zurückhaltender und erklärte, das Urteil des Verfassungsgerichts sei zwar enttäuschend, aber zu respektieren. Nun liege die Initiative wieder bei den Parteien, um eine Reform des Wahlgesetzes auf den Weg zu bringen. Das wäre in der Tat dringend erforderlich, zumal auch das Gericht bei seiner Entscheidung – indirekt – Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des „Porcellum-Gesetzes“ äußerte.
Napolitano griff diesen Hinweis auf und lud gleich nach Bekanntgabe der Entscheidung die Präsidenten beider Kammern, Fini und Schifani, zu einem Gespräch ein, um „die Perspektiven geeigneter parlamentarischer Initiativen zu beraten, mit besonderem Augenmerk auf institutionelle Reformen und deren mögliche verfassungsrechtliche Implikationen“. In die Alltagssprache übersetzt heißt dies: „Kommt endlich in die Strümpfe und packt die Reform des Wahlgesetzes auf politischer Ebene an“.
Ein Vorhaben, das schon seit langem auf der Agenda steht, aber schwer umzusetzen ist. Zwar sind sich außer PdL und Lega alle darin einig, dass das „Porcellum“ weg muss, v. a. deshalb, weil es den Parteizentralen bei der Auswahl der Kandidaten zuviel Macht gibt. Aber eine Einigung über die anzustrebende Alternative ist nicht in Sicht, nicht einmal innerhalb der einzelnen Parteien. So streben die meisten in der PD ein Mehrheitswahlrecht nach „französischem Modell“ an (jeder Wahlkreis wählt einen Abgeordneten, ggf. mit Stichwahl), während andere gemeinsam mit dem Terzo Polo das „deutsche“ Misch-Modell bevorzugen. PdL und Lega hingegen möchten bei der jetzigen Regelung bleiben, die Wahlbündnisse begünstigt und kleine Parteien benachteiligt. Vendola und Di Pietro befürworten – wie auch von der Referendum-Initiative gefordert – eine Rückkehr zum früheren „Mattarellum“, bei dem 75% der Abgeordneten nach Mehrheitswahlrecht und die restlichen 25% nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt wurden, mit einer 4%-Sperrklausel.
Schwer vorstellbar, wie es zwischen so weit auseinanderliegenden Positionen zu einer Einigung kommen soll. Doch nach dem Scheitern der Referendum-Initiative bleibt kein anderer Weg: Das Verfassungsgericht hat den Ball an das Parlament zurück gespielt. Woran auch Di Pietros dramatische Aufrufe zum Volkswiderstand nichts ändern werden.