Europäischer Gerichtshof verurteilt Italien

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat der Klage von 25 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea gegen Italien stattgegeben, die im Mai 2009 von italienischen Militärbooten in der Nähe der Insel Lampedusa gestoppt und unmittelbar an die libyschen Behörden ausgeliefert wurden.

Das Gericht führt in seinem einstimmig gefällten Urteil aus, Italien habe das Verbot von Kollektivausweisungen verletzt und den individuellen Rechtsanspruch der Flüchtlinge auf eine Prüfung ihres Asylgesuches missachtet. Die Auslieferung an Libyen sei zudem ein Verstoß gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, weil die Flüchtlinge dort der Gefahr von Misshandlungen ausgesetzt waren und zu erwarten war, dass sie ohne rechtmäßiges Verfahren in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Italien wurde verurteilt, jedem der Flüchtlinge 15. 000 Euro Schadenersatz zu zahlen. Zwei der klagenden Flüchtlinge sind bei dem erneuten Versuch, Italiens Küsten und damit Europa zu erreichen, gestorben.

Die Menschenrechtsorganisationen begrüßten das Urteil und nannten es „historisch“. Tatsächlich bedeutet die Entscheidung der Straßburger Richter auch eine Aufforderung an andere europäische Staaten, illegale und menschenunwürdige Ausweispraktika zu unterlassen bzw. abzustellen.

Der ehemalige Innenminister Maroni von der fremdenfeindlichen Lega-Nord, der einen „harten Kurs“ bei den Massenrückführungen auf See vertritt, hat die Entscheidung als „politisches Urteil“ kritisiert und hinzugefügt, er würde das genauso wieder machen. Lega-Chef Bossi kommentierte zynisch: „Hauptsache, wir haben eine Überschwemmung unseres Landes mit Flüchtlingen verhindert“. Genau. Wer schert sich da schon um Recht und Gesetz. Es sind ja nur Schmarotzer aus Afrika. Hauptsache, wir schmeißen sie irgendwie raus.

Die jetzige Monti-Regierung nimmt das Urteil hingegen ernst. Andrea Riccardi, Minister für Integration, hat erklärt, die Entscheidung sei für die Regierung Anlass, die Migrationspolitik neu zu überdenken. Und Innenministerin Annamaria Cancellieri bekräftigte, bei den laufenden Gesprächen mit der neuen libyschen Regierung müsse jede Initiative in Sache Flüchtlingspolitik internationale Gesetze und Menschenrechte beachten. Dem Hohen Flüchtlingskommissar der UNO reicht das allerdings nicht. Er bemängelt, dass die Reaktivierung des bilateralen Vertrags mit der neuen libyschen Regierung bislang keinen expliziten Verzicht auf die bisherige Praxis der Massenrückweisungen auf See beinhaltet.

In Straßburg wurde also Italien – zu Recht – wegen der Menschenrechtsverletzungen verurteilt, die der Freundschaftsvertrag zwischen Berlusconi und seinem Kumpel Gaddafi ermöglichte.

Fast gleichzeitig erklärte ein Mailänder Gericht im Korruptionsprozess „Mills“ gegen B. den Straftatbestand für verjährt – und zwar dank eines der zahlreichen Gesetze ad personam, die er während seiner Regierungszeit zu seinem Schutz basteln ließ. Das Land wird für die Politik seiner Regierung bestraft, er selbst kommt einmal mehr davon. Eine bittere Feststellung.

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