Der „Komiker“ und die Piraten
Die Deutschen und die Italiener haben normalerweise nicht so arg viel gemeinsam. Deshalb fällt eine seit Kurzem zu beobachtende Gemeinsamkeit in der Politik um so mehr ins Auge: In Italien heißt dieses Phänomen „Movimento 5 Stelle“, in Deutschland „Piratenpartei“. Wobei der Überraschungseffekt, den diese Bewegungen (oder kann man sie schon „Parteien“ nennen?) ausgelöst haben und immer noch auslösen, wohl in Italien größer sein dürfte, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen gab es in Deutschland schon einmal einen ähnlich gelagerten Fall (die Älteren unter uns werden sich noch gut an die Anfänge der Grünen erinnern), zum anderen sind italienische Wähler traditionsgemäß „treuer“, d.h. sie stimmen normalerweise, komme, was wolle, immer für dieselbe Partei, oder, wenn diese, wie in der jüngeren Vergangenheit geschehen, abhanden kam, für ein entsprechendes Äquivalent.
Wenn jetzt also die jüngsten Umfragen dafür sprechen, dass die vom allgemein als „Komiker“ bezeichneten Beppe Grillo (wobei nicht ganz klar ist, warum, bleibt einem doch das Lachen bei seinen Veranstaltungen meist im Halse stecken) gegründete Bewegung momentan landesweit bei über 7 % liegt, dann hat es für dieses Land eine ungemeine Bedeutung. (Man erwartet, dass auch ein beträchtlicher Teil derer, die sich jetzt enttäuscht von der Lega abwenden, zu Beppe Grillo überlaufen werden).
Es zeigt, wie groß mittlerweile der Abstand geworden ist zwischen gesellschaftlicher Realität und offizieller Politik – und dies gilt wohl entsprechend auch für Deutschland. Ein weiteres, sehr deutliches Zeichen für diesen Umstand sind die ebenfalls aus neuesten Umfragen hervorgehenden Zahlen zu den Wahlabsichten der Italiener: Wenn am nächsten Sonntag gewählt würde, blieben circa 50 % der Wähler entweder gleich zu Hause oder würden einen „weißen“ Stimmzettel abgeben, ein deutliches Zeichen für das inzwischen weit verbreitete Misstrauen großer Teile der Bevölkerung in die Politik und die Politiker sowie deren häufiges Desinteresse für die wahren Probleme und Belange der Bürger. Und hier besteht eine weitere Parallele zu Deutschland, denn dieser Trend macht nicht nur die Politiker in Italien nervös: Die neuesten Umfragewerte in Deutschland sprechen von stattlichen 13 % für die „Piraten“ (FORSA), womit sie sogar die Grünen überflügeln würden. Die Anzahl der Nichtwähler in Deutschland nimmt ebenfalls stetig zu (bei den letzten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein lagen sie z. B. bei 38 %), auch wenn – noch – nicht die gleichen Zahlen zu verzeichnen sind wie (wahrscheinlich) in Italien.
Also Italien und Deutschland vereint in Politikverdrossenheit und Parteienmüdigkeit? Spätestens nächstes Jahr werden wir es genauer wissen.