Kommunalwahlen mit Signalwirkung
Am 6. und 7. Mai fanden in mehreren Kommunen Wahlen statt. Die Ergebnisse wurden mit Spannung erwartet, sind es doch die ersten Wahlen nach Antritt der „technischen“ Regierung von Mario Monti. Und die Ergebnisse haben es in sich. Zwar müssen in den meisten Kommunen noch Bürgermeister-Stichwahlen stattfinden, aber das politische Signal ist schon klar: B.s PdL und die ehemals mit ihm verbündete Lega Nord haben fast überall krachende Niederlagen erlitten, in vielen Kommunen sind ihre Prozentzahlen ins Einstellige abgestürzt. Der sozialdemokratischen PD ist es gelungen, die Stellung zu halten und trotz leichter Verluste mehrere Kommunen für sich zu gewinnen; die Zentrumspartei UDC verlor ebenfalls nur leicht und die „Fünf-Sterne-Bewegung“ des Ex-Komikers Beppe Grillo gewann stark im Norden und konnte sich vielerorts als dritte politische Kraft etablieren. Erwartungsgemäß sank die – traditionell hohe – Wahlbeteiligung: von 73,7 % bei den letzten Kommunalwahlen 2007 auf jetzt 66,8 %.
Einige Beispiele verdeutlichen, wie erdrutschartig der Absturz der PdL war: in Genua sank ihr Stimmenanteil von 28,8 (2007) auf 9 %, in Verona von 28,1 auf 5,1, in Palermo von 25,2 auf 8,2 und in Parma von 46,9 (als Bürgerliste im Verbund mit anderen Gruppierungen) auf 4,6 %. Der von Korruptionsskandalen erschütterten Lega erging es nicht besser. Außer in Verona, wo der beliebte Bürgermeister Tosi (ein enger Vertrauter von Bossis Rivale Maroni) mit über 60 % direkt wieder gewählt wurde, haben die Lega-Kandidaten nicht einmal die Stichwahlen erreicht.
PdL-Generalsekretär Alfano räumte schnell die Niederlage ein. Für B. zu schnell, denn er widersprach ihm sofort verärgert aus dem fernen Moskau, wohin er zur Amtseinführung seines Freundes Putin entschwunden war. Mit souveräner Verachtung der Mathematik verkündete er, es hätte gar keine Niederlage gegeben und die Ergebnisse seien „besser als ich erwartet hatte“. Trotz B.s Beschwichtigungen hat sich die parteiinterne Auseinandersetzung um den künftigen Kurs weiter verschärft: Soll Monti weiter „bedingungslos“ unterstützt werden? Oder besser nur von Fall zu Fall ? Oder soll man lieber ganz in die Opposition gehen? Klar ist auf jeden Fall, dass die Krise der PdL auf das Regierungshandeln destabilisierend wirkt.
Auch die Lega leckt ihre Wunden. Ihr ehemaliger Chef Bossi schweigt. Kein Stinkefinger vor der Presse, kein Maulfurz und keine flotten Sprüche mehr. Über den persönlichen Sieg von Veronas Bürgermeister kann er sich ohnehin nicht freuen, denn er stärkt nur seinen Widersacher Maroni und schwächt seine eigene Position innerhalb der Partei zusätzlich.
PD-Generalsekretär Bersani zieht trotz leichter Stimmverluste eine positive Bilanz. Wenn vor der Wahlen noch Mitterechts in 18 Provinzhauptsädten und Mittelinks in nur 8 regierte, ist es jetzt genau umgekehrt: die PD gewinnt 17 Kommunen, die PdL sinkt auf 8. Und in die Stichwahlen gehen die von der PD unterstützten Kandidaten mit deutlich besseren Chancen als die rechten. Anders als der PdL scheint der PD die Unterstützung der Monti-Regierung nicht wirklich geschadet zu haben. Ihre Wähler haben diese Entscheidung im Wesentlichen akzeptiert, als notwendigen Schritt zur Übernahme nationaler Verantwortung und zur Abwendung des Staatsbankrotts. Nicht so die rechte Wählerschaft, die sich erst von B.s Lügen und Verheißungen eines krisen- und steuerfreien Paradieses einlullen ließ und ihm jetzt enttäuscht und wütend den Rücken kehrt.
Anders als Bersani zeigte sich UDC-Chef Casini vom Abschneiden seiner Partei, obwohl sie ähnlich wie die PD nur leicht verloren hat, enttäuscht. Denn das Zentrum konnte offensichtlich nicht von den Verlusten im rechten Lager (PdL und Lega) profitieren. Casini erklärte nun das Experiment des aus UDC, FI und API bestehenden „Terzo Polo“ für abgeschlossen und rief zur Bildung eines neuen Bündnisses der „Gemäßigten“ auf, zu denen er auch den zentrumsorientierten Flügel der PdL zählt.
Profitiert – und zwar von allen Parteien, vor allem aber von enttäuschten Rechtswählern – hat zweifellos Grillos Bewegung der „5 Sterne“. Ihr gelang es auch als einziger Partei, Nichtwähler zu mobilisieren. Ähnlich wie in Deutschland die Piratenpartei, entwickeln sich die „Grillini“ zu einem Sammelbecken für (vor allem junge) Wähler, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind, neue und direktere Formen der Partizipation suchen und sich jenseits der traditionellen Lager definieren. Dass sie ein ernst zu nehmender Faktor sind, der die politische Landschaft in Bewegung bringt, ist unbestreitbar und wird von allen Parteien anerkannt. Allerdings auch ein unkalkulierbarer Faktor, denn vor allem ihr schriller Anführer Grillo fischt hemmungslos und aggressiv in den populistischen Gewässern der „Antipolitik“.