Ein Populist geht in Stellung
Als uns Mitte Juni „Admirator“ mit den neuesten Berlusconi-Sprüchen bekannt machte („Geld drucken, das ist es!“), konnte man es noch für den schlechten Witz. eines ins Abseits geratenen Politrentners halten. Aber B.s Einsatz war schon immer Italien. Als die Regierung Monti im vergangenen Oktober – mit zähneknirschender Unterstützung von B. – ihr Amt antrat, war B.s öffentliches Ansehen im Keller. Zu offensichtlich war es, dass er Italien nicht nur moralisch und politisch, sondern auch ökonomisch zugrunde gerichtet hatte. Und dass Italien nur noch ein harter Reformkurs retten konnte. Die Regierungsübergabe bedeutete für B. aber auch, dass er die nun anstehende „Drecksarbeit“ anderen überlassen konnte. Da er jedoch mit seiner PdL-Fraktion in der „seltsamen“ Parteien-Koalition verblieb, die der Regierung Monti eine parlamentarische Mehrheit brachte, sicherte er sich einerseits ein Stück Kontrolle, verblieb ihm andererseits aber auch ein Stück Mitverantwortung.
Nun ist aus B.s Perspektive zweierlei gegeneinander abzuwägen. Einerseits hofft er, dass die Erinnerung an sein eigenes politisches Versagen verblasst, je länger die Regierung Monti im Amt ist. Dies sprach zunächst fürs Abwarten bis zum Frühjahr 2013, wo sowieso die nächsten Parlamentswahlen anstehen, auch wenn der Machtverzicht bis dahin weh tut. Andererseits weiß B. – die Meinungsumfragen bestätigen es -, dass sich die wachsende Volkswut über Montis Reformen zunehmend auch gegen ihn selbst kehrt, je länger er sie unterstützt. Außerdem setzt Monti nun auch Reformvorhaben auf seine Agenda, die B. um jeden Preis verhindern will: schärfere Antikorruptionsgesetze, ein politisch unabhängigeres Fernsehen. Was dafür spricht, der Regierung Monti „den Stecker rauszuziehen“, je früher desto besser.
Die Anzeichen, dass der Bruch bald stattfindet, verdichten sich:
- Immer häufiger spricht B. vom Scheitern Montis: Trotz seines harten Sparkurses habe sich der Druck der Finanzmärkte auf die italienischen Staatschulden nicht vermindert. Also eigentlich „alles umsonst“ (kleingedruckt: „Hab’ ich schon immer geahnt“). B. scheint nur noch nach einem Anlass für den Bruch zu suchen. Nun sagt er, der heute beginnende EU-Gipfel sei Montis letzte Chance. Kehre dieser mit leeren Händen zurück (ohne substantielle deutsche Zugeständnisse), werde schon „im Oktober“ gewählt werden.
- Eine Aussicht, die von der Rücksichtnahme auf die anderen Parteien (PD und UDC) in der Koalition befreit. Fast provokativ holt B. wieder Projekte aus der Schublade, die von der alten Koalition verfolgt wurden: Übergang zu einem „halben“ Präsidialsystem, eine „Justizreform“, die die Unabhängigkeit der Gerichte einschränkt und die Veröffentlichung polizeilicher Abhörprotokolle verbietet. B. will sie wieder gemeinsam mit der Lega durchbringen. Zerbricht darüber die („seltsame“) gegenwärtige Koalition, umso besser.
- Das Wahlkampfkonzept wird klarer. B. wittert die vorhandene Stimmung der „Antipolitik“ und versucht, Beppe Grillos „Fünf-Sterne-Bewegung“ zu imitieren. Auf die PdL, die ihm zu sehr „Partei“ geworden ist, setzt er nicht mehr. Stattdessen zieht er mit einem Schwarm von „Bürgerlisten“ in den Kampf, z. B. Forza Donne (Frauen), Forza Giovani (Junge), Forza Imprenditori (Unternehmer). Als ob sie damit mehr Selbstbestimmung hätten. Ihre Gallionsfiguren hat B. schon ausgeguckt, die verbindende Klammer bleibt ER.
- Sein Wahlkampfthema hat B. gefunden: Abschaffung von Steuern, Antieuropa. Mit dem Versprechen, die Wohnungssteuer abzuschaffen, gewann er schon die Wahlen von 2008. Der Euro oder wahlweise Deutschland ist Schuld. Soll Deutschland doch den Euro verlassen, oder eben Italien den Euro. „Dann können wir unsere Produkte wieder leichter verkaufen“. Was B. nicht sagt: Weil dann die Lira, zu der Italien zurückkehrt, als erstes drastisch abgewertet würde. Und dann auch die Inflation wieder galoppieren, der Treibstoff unerschwinglich, die italienischen Staatsschuldverschreibungen unplatzierbar würden. Der verheißene Exportboom ist eine Fata Morgana. Denn die italienischen Produkte verkaufen sich nicht deshalb schlecht, weil sie zu teuer, sondern weil sie qualitativ nicht mehr konkurrenzfähig sind. Aber ein echter Populist findet den Feind immer draußen.
Dass er damit Monti in den Rücken fällt, der gerade dabei ist, Italien auf der europäischen Bühne wieder Glaubwürdigkeit zu verschaffen, interessiert B. nicht. Auch nicht die Gefahr, dass sich Italien durch einen vorgezogenen Wahlkampf genau den Staatsbankrott einbrocken könnte, den Monti verhindern sollte. Für die Rückkehr zur Macht setzt B. auch das aufs Spiel.