Der Wiedergänger

„Wiedergänger“: laut Wikipedia Verstorbene, die in die Welt der Lebenden zurückkehren – „sei es, weil sie sich für erlittenes Unrecht …rächen wollen, sei es, weil ihre Seele auf Grund ihres Lebenswandels nicht erlöst wurde“. Auch ersteres trifft auf B. zu: Er sieht sich als Opfer („das größte seit Christus“) „kommunistischer“ Richter und Journalisten.
 
Seit einigen Tagen ist es so gut wie amtlich: Berlusconi will sich bei den nächsten Wahlen – spätestens im Frühjahr 2013 – wieder zum Ministerpräsident wählen lassen. B. lebt zwar ohnehin im Bewusstsein, der größte Staatsmann der Welt zu sein, aber diesmal ließ er sich auch von seinen Umfrage-Instituten überzeugen, die er täglich studiert: Mit B. als Spitzenkandidat könne die PdL angeblich auf 30 % kommen, mit B. „nur“ als Parteichef (und einem anderen Kandidaten) auf 18 %, ohne B. auf 10 %. Auch wenn die 30 % (bei B.s Wiederantritt) Wunschdenken sein dürften, enthält diese Prognose doch einen wahren Kern: Ohne B. würde die PdL, die Partei der zwielichtigen Karrieristen und Opportunisten, in sich zusammenfallen wie ein geplatzter Reifen.
 
Die Entscheidung bedeutet, dass der von B. als „Kronprinz“ gehätschelte Alfano wieder ins zweite Glied zu treten hat (Alfano brauchte einen Tag, um mitzuteilen, er habe sie schon immer ersehnt). Und dass auch die „Vorwahlen“ („Primarie“) entfallen, die Alfano mit viel Ballyhoo auf den Schild heben sollten. Für den Kandidaten B. erübrigen sich alle Vorwahlen. Ein wahrer Leader wählt sich die Partei, nicht die Partei den Leader.
 
Nun gibt es wieder Fotos, die den 76-jährigen B. lächelnd beim Joggen zeigen (er soll schon  vier Kilo abgespeckt haben). Um sein durch „Ruby“ angekratztes Image zu liften, lässt er gerade seine Ex-Geliebte und spätere Zuhälterin Nicole Minetti, die ihm auch „Ruby“ zuführte und der er irgendwann das Außenministerium versprochen hatte, öffentlich über die Klinge springen: Ihren von B. besorgten Posten als PdL-Abgeordnete im lombardischen Regionalparlament soll sie sofort aufgeben. Dafür hat er angeblich wieder bei seiner Frau, mit der er seit Jahren in Scheidung liegt, angeklopft (allerdings kennt sie ihn und zeigt sich widerspenstig). Auch anderes ist überlegt. Seinen populistischen Antipoden Beppe Grillo will er übertrumpfen, indem er mit möglichst vielen „Bürgerlisten“ in den Wahlkampf zieht und der Partei ein verändertes Outfit verpasst: anderer Name („Forza Italia“?), verjüngte Führung (unter ihm), eine Frau als Vize (aber wohl nicht Minetti).
 
Offiziell setzt B. auf Sieg, aber auch er weiß, dass dieser aus heutiger Sicht nicht gerade wahrscheinlich ist – selbst wenn er die gebeutelte, aber unverändert machtgeile Lega wieder auf seine Seite ziehen kann. So arbeitet er auch an Plan B: Wie kann man sich trotz drohender Wahlniederlage maximalen Einfluss sichern? B. gibt zwei Antworten:
 

  1. Das von seiner Truppe erfundene Wahlgesetz „Porcellum“ („Schweine-Gesetz“) muss noch vor der Wahl weg. Denn mit ihm bekommt das Bündnis, das die relative Mehrheit erringt, durch eine „Mehrheitsprämie“ die absolute parlamentarische Mehrheit. Damit gewann zwar B. die letzten Wahlen, aber diesmal könnte Mittelinks die relative Mehrheit bekommen. Also weg mit der Mehrheitsprämie, reines Verhältniswahlrecht. Das Wahlgesetz ist für B. ein Instrument des Machterhalts, das je nach Opportunität zu ändern ist.
  2.  

  3. Politiker wie Casini erwägen, auch nach der nächsten Wahl noch einmal eine Regierung der „breiten Verständigung“ („larghe intese“) anzustreben, ob mit oder ohne Monti, aber in Fortsetzung der ihn tragenden („großen“) Koalition. Der bisherige Polarisierer B. reagiert plötzlich mit staatsmännischem Wohlwollen. Denn dies gäbe ihm die Chance, mit seinen persönlichen Interessen im Spiel zu bleiben, auch wenn er aus der Wahl nur als zweiter Sieger hervorgeht. Zumal er so auch der neuen Regierung, die den unpopulären Sparkurs fortsetzen müsste, im geeigneten Moment „den Stecker rausziehen“ könnte.

 
B.s Entscheidung könnte katastrophale Auswirkungen auf Montis Bemühungen um die Konsolidierung Italiens haben. Gegenwärtig wird Monti von aller Welt gefragt, welche Garantien es eigentlich dafür gibt, dass seine Sparpolitik nach den Wahlen fortgesetzt wird. Ein Zweifel, der sich auch im gegenwärtigen Wiederanstieg des italienischen „Spread“ ausdrückt. B.s Ankündigung gibt diesem Zweifel weitere Nahrung. Denn hat nicht B. gerade verkündet, dass sich Italien den Sparauflagen auch wieder entziehen, aus dem Euro aussteigen und selbst „Geld drucken“ könne? Ein Spiel mit dem Feuer. Denn damit könnte der nächste Wahlkampf nicht nur zur Auseinandersetzung um Berlusconi (alias Rechtsbeugung und Korruption), sondern auch pro oder contra Europa werden.

Als ob B. alles daran setzt, um den Kredit, den Monti in den letzten Monaten mühsam für Italien erarbeitet hat, wieder zu verspielen.

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