Kampagne des zivilen Gehorsams
Seit dem überwältigenden Erfolg des Referendums gegen die Privatisierung des Wassers ist mehr als ein Jahr vergangen, doch der erklärte Wille von 27 Millionen Bürgern steht immer noch auf dem Papier. Jetzt begann das „Italienische Forum der Bewegungen für das Wasser“ eine Kampagne, die es bewusst eine Kampagne des „zivilen Gehorsams“ nennt, um zu betonen, dass sie damit nur geltendes Recht durchsetzt. Gemeinsam mit dem von der Region Apulien angerufenen Verfassungsgericht soll die Kampagne diejenigen stoppen, die weiterhin mit den öffentlichen Gütern Geschäfte machen wollen. Die zwei Autoren dieses Beitrags beteiligen sich an den Kampagnen gegen die Privatisierung des Wassers.
Unter dem Motto „Respektiert meine Stimme“ startete im Juni 2012 in ganz Italien die „Kampagne für zivilen Gehorsam“, bei der Millionen von Bürgern ihre Wasserrechnung überprüfen. Der Posten, der zur Refinanzierung der getätigten Kapitalinvestitionen dienen soll, hätte laut Referendum eigentlich schon entfallen müssen, belastet aber weiterhin die Wasserrechnungen mit einem Anteil zwischen 10 und 25%. Nicht gerade wenig, wenn man bedenkt, wie stark die gegenwärtige Austerity-Politik gerade die sozial Schwachen trifft. Die Kampagne will Druck auf die Betreiber (von denen bisher niemand das Referendum umgesetzt hat) ausüben, um endlich das Wählervotum zu respektieren.
Das Urteil des Verfassungsgerichts vom 20. Juli gab der Kampagne starken Auftrieb. Es folgte dem Einspruch der Region Apulien und erklärte ein Gesetz für verfassungswidrig, das die Berlusconi-Regierung am 13. 8. 2011 verabschiedet hatte, um trotz des Referendums die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wieder durch die Hintertür einzuführen. Übrigens stand der gleiche Passus auch im Liberalisierungsgesetz der Monti-Regierung, das dort mit den Stimmen von PDL und PD (!) verabschiedet wurde.
Das Urteil bestätigt, dass aufgrund des Referendums der Verkauf öffentlicher lokaler Dienstleistungen – u. a. Wasser – an Private gestoppt werden muss.
Schlechte Zeiten also für alle, die mit öffentlichen Gütern Geschäfte machen. Eine weitere Niederlage mussten sie am 24. Juli einstecken, als der Staatsrat einem Einspruch gegen die Privatisierung des römischen Wasserunternehmens ACEA stattgab, die Bürgermeister Alemanno (PdL) versucht hatte. Darüberhinaus reichte ein breites Bündnis von Bürgern, Verbänden, Gewerkschaften und Parteien, das bereits beim Referendum von 2011 aktiv war, bei der Region Latium einen Gesetzesvorschlag ein, um dort, wie vom Wähler gewollt, eine öffentliche Wasserversorgung unter Bürgerbeteiligung durchzusetzen. Über den Gesetzesvorschlag soll in einem regionalen Referendum abgestimmt werden.
In Italien glauben viele, dass es sowieso egal sei, wie ein Referendum ausgeht, weil man in jedem Fall einen Weg finde, um es zu umgehen. „So war es beim Referendum über die Parteienfinanzierung, so ist es jetzt beim Wasser“. Träfe dies zu, wäre es Wasser auf die Mühlen der Antipolitik, von Grillo und der „Regierung der Professoren“. Es wäre ein Italien, für das es kaum noch Hoffnung gäbe.
Doch in Wahrheit gibt es eine kapillare Bürgerbewegung, die auch vor Gericht unzählige lokale Auseinandersetzungen mit den Multis der Wasserversorgung führt und dabei Erfolge erringt. Hartnäckig verteidigt sie die demokratischen Handlungsspielräume, die in zwei Jahrzehnten „Berlusconismo“ immer kleiner geworden waren. Wir erinnern uns: B.s Finanzminister Tremonti hatte das Referendum über das Wasser einen „Betrug“ genannt. Wahrscheinlich überlegte er sich damals schon, wie sich sein Ergebnis umgehen ließ.
Wer die Lage nur oberflächlich beurteilt, übersieht, dass die großartigen Erfolge bei den Referenden des letzten Jahres das Ergebnis einer jahrelangen Mobilisierung waren, die das ganze Land erfasste. Statt zurückzuweichen, krempelt das Volk die Ärmel hoch, um die Demokratie zu verteidigen. Mit Erfolg.
Gute Politik ist das beste Mittel gegen Antipolitik.