Monti for ever?
Mario Monti hatte es sich für einen Auftritt am 27. September in den USA aufgehoben, mit „den Märkten und der internationalen Gemeinschaft“ als Adressaten:
„Ich hoffe, dass die nächsten Wahlen zu einem klaren Ergebnis führen, mit dem es möglich ist, eine Mehrheit zu bilden und eine Regierung, die vom Leader dieser Mehrheit geführt wird. Aber wenn man der Meinung sein sollte, dass ich auch nach der Wahl noch von Nutzen sein könnte, werde ich da sein“.
Bis dahin hatte Monti eher den Eindruck erweckt, nach den italienischen Neuwahlen im Frühjahr 2013 auf jeden Fall an seine Mailänder Bocconi-Universität zurückkehren zu wollen. Aber nachdem er in den letzten Monaten immer häufiger gefragt wurde, wie es denn nach den Wahlen mit Italien weitergehen werde, und dies zu einer offenen Flanke für den Erfolg seines Reformkurses (und die Senkung des „Spread“) wurde, entschloss er sich nun doch zu diesem Schritt – wohl auch auf den Rat von Napolitano hin, um „die Märkte“ zu beruhigen.
Die Erklärung erfüllte erst einmal ihren Zweck, denn die „internationale Gemeinschaft“ von Obama bis Merkel applaudierte einhellig, und der „Spread“ hält sich seitdem in Grenzen. Für die italienische Demokratie ist sie problematisch. Montis Berufung zum Ministerpräsidenten auf Grundlage der „seltsamen“ Koalition zwischen B.s PdL, der sozialdemokratischen PD und der zentristischen UDC war im Oktober 2011 angesichts des drohenden Staatsbankrotts als akute Notstandsmaßnahme deklariert worden – und notdürftig dadurch ermöglicht, dass ihn Napolitano schnell noch zum „Ehrensenator auf Lebenszeit“ erklärte . Da er sich nun aber auch für den möglichen „Monti bis“ (Monti II) nicht in die Niederungen des beginnenden Wahlkampfs begeben will (in dem er sich mit Programm und eigener Partei zur Wahl stellen müsste), würde die Ausnahme zur Regel – zumindest für weitere 5 Jahre.Das Zentrum im Aufwind
Was ein wenig irritiert, ist die Tatsache, dass sich Monti nach seiner Rückkehr aus den USA beeilte, alles wieder teilweise zurückzunehmen und plötzlich zu verkünden, in „ein paar Monaten“ werde er „die Regierung wieder anderen überlassen“. Da er jedoch die New Yorker Erklärung nicht ausdrücklich zurücknahm, war sie es, die im Ohr haften blieb. Vielleicht ist genau das Montis Absicht: Sich zu nichts zu verpflichten, und dennoch zu signalisieren: Wenn alles schief geht – also z. B. die nächsten Wahlen Italien nach normalen demokratischen Spielregeln unregierbar machen (was möglich ist), oder sogar B. wieder an die Macht bringen (was unwahrscheinlich ist) –, bin ich da, als Notnagel.
Wenn er geglaubt haben sollte, diese Erklärung würde nur von „den Märkten“ gehört, hat er sich getäuscht. Für die italienische Innenpolitik ist sie eine Zäsur. Das Zentrum ist elektrisiert. Da es bedingungslos auf Monti setzt und dieser in der italienischen Beliebtheitsskala ganz oben steht – nicht nur über Berlusconi, sondern auch über Bersani, der bis vor Kurzem noch wie der sichere Wahlsieger aussah -, sieht sich Casini endlich im Aufwind. Sein Plan ist schlicht: Er will sich bei der Wahl mit einer möglichst breiten Bürgerliste präsentieren, der zwar Monti nicht persönlich angehört, deren deklarierter Hauptzweck es jedoch ist, „pro-Monti“ zu sein. Die Aussicht, eine solche Liste zustande zu bringen, stehen plötzlich nicht mehr schlecht, denn nicht nur alte Kampfgefährten wie Fini haben ihre Unterstützung zugesagt, sondern auch Unabhängige wie der bekannte Ferrari-Chef Montezemolo, vor allem aber die in Italien wichtige Katholische Kirche.
Die PD könnte die eigentliche Verliererin sein
Dafür könnte den beiden großen Parteien, die bisher bei den kommenden Wahlen die eigentlichen Kontrahenten zu sein schienen – Berlusconis PdL und der sozialdemokratischen PD, mit letzterer als zu erwartendem Sieger – der Wind bald voll ins Gesicht blasen. Denn nun werden sich hier an Monti die Geister scheiden. Die Auflösung der längst bröckelnden PdL wird sich beschleunigen, durch die Abspaltung einerseits des Pro-Monti-Flügels, den es auch hier inzwischen gibt, andererseits des alten AN-Flügels. Plötzlich droht Berlusconi mit seiner alten Kerntruppe von Forza Italia nur noch ein versprengter Haufen zu sein – es sei denn, es gelingt ihm, sich im letzten Moment noch persönlich in Casinis „Pro-Monti“-Gründung zu retten. Mit der Hoffnung, wenigstens auf diese Weise noch „Regierungspartei“ zu sein, aber nur als (eher unerwünschte) Randfigur.
Für die PD sieht die Lage kaum besser aus. Denn die Formel, mit der sie einst den Machtwechsel herbeizuführen hoffte, lautete PD plus SEL links und UDC in der Mitte, oder Bersani-Vendola-Casini. Aber schon das alte Bündnis zwischen PD und SEL, das durch die unterschiedliche Haltung zur Regierung Monti unterbrochen war, droht nun endgültig zur Makulatur zu werden, auch über 2013 hinaus. Und ebenso das Bündnis Bersani-Casini, denn nun fordert der selbstbewusst gewordene Casini von der PD nicht nur den weiteren Kotau vor Monti, sondern auch den definitiven Bruch mit der SEL. Was bisher gerade die Stärke der PD zu sein schien, nämlich die „linke“ (pro Vendola) und die „zentristische“ (pro Casini) Option in der Schwebe zu halten, würde damit zu ihrer Schwäche und sie vielleicht zerreißen.
Montis New Yorker Erklärung bringt also trotz ihrer nachträglichen halben Zurücknahme auf der politischen Bühne Italiens die Puppen zum Tanzen. Und obwohl dieser jetzt beginnende Tanz den nunmehr 76-jährigen Berlusconi wohl weiter ins Abseits drängt – was ein Segen wäre! -, ist doch zu fragen, was er für die italienische Demokratie bedeutet. Lieber Monti als B., zweifellos – aber demokratische „Anomalien“ sind beide. Dazu später.