Renzi greift zu schmutzigen Tricks
In zwei Tagen, am 2. Dezember, findet die Stichwahl statt, bei der entschieden wird, wer die Mittelinks-Koalition bei den nächsten Parlamentswahlen anführen wird: Bersani oder Renzi. In der ersten Runde der Vorwahlen erhielt Bersani die meisten Stimmen (44,9%), Renzi kam an zweiter Stelle (35,5%). Für die nun anstehende Stichwahl gilt Bersani als deutlicher Favorit. Am Mittwoch fand im Fernsehen das öffentliche „Duell“ zwischen den beiden Kandidaten statt. Renzi gab sich seriös. Aber inzwischen zeigt er, wes Geistes Kind er ist.
Fischen im rechten Lager
Bereits bei der ersten Runde hatten Renzi und seine Unterstützer versucht, auch rechte Wähler für die Teilnahme an diesen Vorwahlen zu mobilisieren, teilweise mit Erfolg. Ortsbekannte Berlusconi-Anhänger reihten sich geduldig in die Warteschlangen vor den Wahllokalen, unterzeichneten ohne mit den Wimpern zu zucken die erforderliche Erklärung, sie seien Unterstützer von Mittelinks, und machten fröhlich ihr Kreuzchen. Natürlich für Renzi, den „Verschrotter“, wohl in der Hoffnung, damit auch die gesamte linke Koalition zu verschrotten. Was einige von ihnen vor laufenden Kameras nach der Stimmabgabe frank und frei zugaben.
Schon dieses offene Werben um Wähler, die mit Mittelinks und dessen Programm nichts am Hut haben und es im Gegenteil eifrig bekämpfen, ist fragwürdig genug. Aber formal schwer zu verhindern, denn die gemeinsamen vereinbarten und von allen Kandidaten (auch von Renzi!) akzeptierten Regeln besagen eben, dass alle diejenige wählen können, die sich zum Wahlaufruf der Mittelinks-Koalition bekennen und eine entsprechende Erklärung unterschreiben. Diese Regeln besagen ferner, dass bei einer Stichwahl in der Regel nur diejenigen wählen dürfen, die schon bei der ersten Runde ihre Stimme abgaben. Ausnahmen sind nur zugelassen, wenn man in einer persönlichen Erklärung glaubhaft machen kann, dass man zur Teilnahme an der ersten Wahlrunde verhindert war. Über solche „Ausnahme-Anträge“ wird im Einzelfall entschieden.Regelmanipulation „ad personam“
Jetzt, wo Renzi seine Felle wegschwimmen sieht, stellt er diese gemeinsam aufgestellten Regeln in Frage. Mehr noch: Er und seine Leute versuchen, sie mit allen Tricks und mit gezielter Desinformation auszuhebeln, um so viele Stimmen wie möglich im rechten Lager zu fischen.
In einer massiven Mail-Versandaktion und in einer (teuer bezahlten) Zeitungsanzeige der Internetseite „domenicavoto.it“, die Renzis Stiftung betreibt, wird potenziellen Wählern erzählt, eine „einfache Mail“ würde ausreichen, um sich nachträglich für die Wahl zu registrieren. Praktischerweise wird das passende Formular gleich zum Ausfüllen angeboten, mit nützlichen Hinweisen auf die anzuführenden Verhinderungsgründe, sozusagen zur freien Auswahl: „Familiäre Gründe, Erkrankungen, Arbeitsverpflichtungen, Auslandsreisen“.
Der Vorsitzende der „Kommission der Garanten“, die für die korrekte Durchführung der Wahlen zu sorgen hat, Berlinguer, ist entsetzt. Er berichtet, dass massenhaft gleich aussehende Mail-Formulare zur nachträglicher Registrierung ankommen, die keinerlei individuell plausible Begründung enthalten. Das sei völlig regelwidrig und inakzeptabel. Inzwischen hat die Kommission ganz offiziell bekräftigt, dass eine nachträgliche Registrierung zur Wahl nur in Ausnahmefällen zulässig ist und „allgemein gehaltene, pauschale Erklärungen“ in irgendwelchen Serienformularen in keiner Weise ausreichen.
Nicht nur Bersani, sondern auch die drei Kandidaten, die bei der ersten Runde ausgeschieden waren (Vendola, Puppato, Tabacci), haben inzwischen bei der Garanten-Kommission Einspruch gegen Renzis Vorgehen eingereicht und darauf hingewiesen, dass die Veröffentlichung kostenpflichtiger Inserate in den Zeitungen von den beschlossenen Regelungen ausdrücklich untersagt wird.
Der ebenso eloquente – und wie sich jetzt zeigt: windige – Renzi versucht also mitten im laufenden „Spiel“ mit schmutzigen Tricks und gezielter Desinformation die Regeln „ad personam“ zu ändern, wie es ihm beliebt. Sollten Sie sich da an etwas erinnert fühlen: Sie liegen richtig. Die Verachtung von Regeln und ihr Verbiegen zum eigenen Vorteil ist ein wesentliches Merkmal des „Berlusconismo“. Dass Renzi damit das demokratische Instrument der Vorwahlen ad absurdum führt, ist ihm offenbar egal. Oder schlimmer noch: Vielleicht beabsichtigt er es sogar. Für einen Mittelinks-Kandidaten (eigentlich für jeglichen Kandidaten) nicht gerade eine Empfehlung. Auch nicht für einen selbsternannten „Erneuerer“. Und schon gar nicht für jemanden, der Regierungschef werden möchte. Nein danke. Wenn es etwas gibt, was Italien nicht braucht: dann (wieder) so einen.