Bersani gewinnt die Vorwahlen
Wie ist dieses Ergebnis zu bewerten?
- 1. Für die PD – und auch für die italienische Demokratie – hat sich das Unternehmen Vorwahlen gelohnt. Die PD ist damit in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt, in den Meinungsumfragen sind ihre Wahlchancen noch einmal deutlich gestiegen. Der Aufstieg von Grillos 5-Sterne-Bewegung in der Wählergunst scheint zumindest aufgehalten. Die 100 000 freiwilligen Wahlhelfer, die sich nicht nur zwei Wochenenden um die Ohren schlugen, und die etwa 3 Millionen Italienerinnen und Italiener, die es zweimal hintereinander auf sich nahmen, auch bei Regen und Kälte Schlange zu stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Stimme abzugeben, zeigen ein Partizipationsbedürfnis, das nicht automatisch in „Anti-Politik“ mündet. Es sollte nicht wieder verspielt werden.
- 2. Bersani steht persönlich für Integrität. Was gerade deshalb umso wichtiger ist, weil es in der italienischen Politik keine Selbstverständlichkeit ist (siehe Montis Vorgänger). Aber Bersani scheint auch ein gutmütiger Mann zu sein – in der Vergangenheit hätte man sich gerade von ihm, dem Generalsekretär der PD, gelegentlich mehr Forschheit bei der „Modernisierung“ der PD gewünscht (u. a. bei deren Befreiung von Korruption und Klüngelwesen). Jetzt ist seine Position innerparteilich stark genug, um Versäumtes nachzuholen – auch in der PD bleibt hier noch einiges zu tun.
- 3. Mit Bersani entschied sich eine breite Mehrheit der Anhänger von Mittelinks klugerweise für einen Kandidaten, den man im innerparteilichen Spektrum früher einen „Zentristen“ genannt hätte. Er ist der Einzige, dem man zutrauen kann, sowohl die „Moderaten“ um Renzi als auch die „Linken“ um Vendola im Boot bzw. im Bündnis zu halten – hätte Renzi gewonnen, wäre demnächst wahrscheinlich ein Teil der Linken weggebrochen (und hätte Vendola gewonnen, wäre das Gegenteil passiert). Es wird schwierig genug werden, auch in Zukunft keinen dieser beiden Flügel zu verlieren.
- 4. Auch im Hinblick auf die bevorstehende Regierungsbildung befindet sich Bersani in der Position des „Zentristen“. Denn er hat bisher versucht, den Kontakt zu Casinis (und inzwischen auch Montezemolos) Zentrum zu halten, ohne sich auf das Ultimatum einzulassen, dafür das Bündnis mit Vendola aufzugeben. Sollte Mittelinks die nächste Wahl gewinnen, dürfte auch sein Verhältnis zu Monti gut genug sein, um ihm – aus Rücksicht auf dessen internationales Ansehen – notfalls ein wichtiges Ministerium oder vielleicht sogar den Posten des Staatspräsidenten anzubieten.
Mit Bersani wurde ein Kandidat gewählt, der Regierungsfähigkeit garantiert. Aber der nächsten Regierung steht ein Teufelsritt bevor. Sie muss einerseits die harten Sparmaßnahmen exekutieren, die Monti eingeleitet hat, ohne dessen dickes Fell, das ihn als nicht gewählten „Techniker“ gegen den Volkszorn immunisierte. Schon jetzt ist klar, dass Bersani, sollte er Ministerpräsident werden, viele „linke“ Hoffnungen enttäuschen wird. Gleichzeitig muss er das Versprechen einlösen, beim Gesamtbündel der Maßnahmen mehr „Gerechtigkeit“ walten zu lassen. Aber der Kampf, den er zum Beispiel gegen die Steuerhinterziehung zu führen hat, ist in Italien nicht nur ein Kampf gegen die Reichen, sondern auch gegen Hunderttausende kleiner Selbständiger. Das Gespür, das für diese Gratwanderung nötig ist, kann man Bersani zutrauen. Wenn ihm nicht wieder seine Gutmütigkeit in die Quere kommt.