Monti geht in Stellung
Am Freitag, dem 21. Dezember, passierte das Haushaltsgesetz für 2013 das italienische Parlament, und dann ging es Schlag auf Schlag: Monti reichte noch am gleichen Abend bei Napolitano („unwiderruflich“) seinen Rücktritt ein, worauf dieser sofort Senat und Parlament auflöste und für den 24./25. Februar 2013 Neuwahlen ansetzte. Womit eine weitere Entscheidung gefallen war: Beim bevorstehenden Urnengang wird das Wahlgesetz „Porcellum“ gelten, das B. dem Land bescherte und auf eine „Führer-Demokratie“ zugeschnitten ist, in der die Parteizentralen absolute Macht bei der Festlegung der Kandidatenlisten haben.
Zuvor war noch die Frage zu klären, welche Rolle Monti selbst in diesem Wahlkampf spielen wird. Soll er, wie einst der legendäre Cincinnatus, der vom Pflug weg zum römischen Diktator ernannt wurde und anschließend zum Pflug zurückkehrte, wieder in seine Bocconi-Universität gehen, um dort nach erfülltem politischem Auftrag Studentenköpfe zu bearbeiten? Eine schöne Vorstellung, für die ein Monti sicherlich nicht unempfänglich ist, zumal Cincinnatus seitdem als Inbegriff (ferner!) römisch-republikanischer Tugenden gilt. Oder sollte er sich in das Getümmel werfen, wie es von ihm vor allem das sich neu bildende Zentrum erwartet, das ja ebenfalls an sein Verantwortungsbewusstsein appelliert, weil nur er über das immer noch notwendige internationale Vertrauen verfüge, usw.Montis Pressekonferenz
Die Antwort gab Monti am vierten Adventssonntag, zwei Tage nach seinem offiziellen Rücktritt und bei einer Pressekonferenz, welche die Regierung üblicherweise nutzt, um eine Bilanz des vergangenen Jahres und ihre Vorstellungen über das nächste auf den Tisch zu legen. Hier war zu besichtigen, mit welcher Umständlichkeit der Professor über den Schatten des Cincinnatus sprang: Unter tausend Wenns und Abers, falls man ihn rufe und natürlich zu seinen Bedingungen sei er bereit, auch für den nächsten Ministerpräsidenten zu kandidieren. Was nicht bedeute, dass er sich nun irgendeiner Richtung anschließen werde, Gott bewahre, aber er gebe anderen die Chance, sich ihm anzuschließen. Dafür habe er in „logischer“ Fortsetzung seiner bisherigen Politik eine Agenda mit den nächsten Aufgaben formuliert, angesichts derer sich die politischen Kräfte überlegen könnten, ob sie sich ihr anschließen. Wenn sie dies mit genügender Stärke und auf glaubhafte Weise täten, werde er sich vielleicht auf eine erneute Kandidatur einlassen. An Selbstbewusstsein fehlt es ihm nicht.
Dann skizzierte er seine Agenda. Nachdem seine bisherige 13-monatige Regierungszeit vor allem dem Ziel gedient habe, dem finanzpolitischen Notstand zu begegnen, gehe es nun auch um den wachstums- und beschäftigungspolitischen Notstand. Die Opfer, welche die Italiener bisher für die Entschuldung ihres Landes gebracht hätten, dürften nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden. Um wieder Wachstum zu ermöglichen, müssten die hohen Steuern, welche Unternehmen und Arbeit belasten, gesenkt werden, der nötige Spielraum lasse sich nur durch Senkung der öffentlichen Ausgaben erzielen. Der Arbeitsmarkt müsse weiter „modernisiert“ werden, u. a. durch eine verringerte Kluft zwischen geschützten und prekären Arbeitsverhältnissen. Eine Justizreform müsse (endlich!) für eine Regelung des Interessenkonflikts sorgen und – unter anderem – auch das von B. abgeschaffte Delikt der Bilanzfälschung wieder einführen. Alles in allem keine „linke“ Agenda, aber auch keine Agenda, die in dieser Richtung alle Türen zuschlägt.
In einem Punkt kann man nach dieser Pressekonferenz beruhigt sein: Zu einem Bündnis Monti – Berlusconi wird es in dieser Welt nicht mehr kommen. Dafür hat Monti allzu unzweideutig B. und seine Sprechpuppe Alfano attackiert, dafür spricht seine Agenda in Sachen Justizreform. B.s wutschäumende Reaktion bestätigt es. Nun ist auch klar, dass mitterechts zwei Formationen zur Wahl antreten. Einerseits das Zentrum um die „Agenda Monti“, andererseits die (wahrscheinlich) mit der Lega verbündete PdL um B. Es wäre kurzsichtig, dies nur wahltaktisch als Spaltung der Rechten zu begrüßen. Denn es bedeutet einen Hoffnungsschimmer für die italienische Demokratie, wenn die Rechte von echten Wertkonservativen und nicht mehr nur von korrupten Populisten repräsentiert wird. Eine Rechte, die in den letzten Jahren in Europa den Orbans und Berlusconis allzu viel Raum ließ.
Ganz spannungsfrei ist damit die nächste politische Zukunft Italiens noch nicht. Monti scheint zu einer Regierungskoalition mit Bersani bereit zu sein, auch wenn unklar ist, wie sich Monti verhält, wenn das Mittelinks-Bündnis mehr Stimmen einfährt als das Zentrum (wonach es gegenwärtig aussieht) – ob Monti dann z. B. bereit wäre, sich auch mit dem Posten eines Finanzministers zufrieden zu geben. Unklar ist zudem, ob er sich mit einer Regierungsbeteiligung von Vendolas SEL abfindet –Monti nutzte die Pressekonferenz zu ein paar Seitenhieben in dieser Richtung. (In einem späteren Beitrag werden wir darlegen, warum Bersani sich davon nicht beirren lassen sollte).
Noch sollte man B. nicht vergessen. Er, der seine Felle davon schwimmen sieht, irrlichtert von Fernsehsendung zu Fernsehsendung, um seine Botschaft zu verkünden: Steuern runter, Schuld sind die Deutschen. Es gibt immer noch Leute, die nach solchen einfachen Botschaften dürsten. Die Frage ist, wie viele es sein werden.