Der Camusso-Plan (I) – die Rezession
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin kein Ökonom und weiß nicht, wie die Quadratur des Kreises zu schaffen ist: Italien auf Sparkurs zu halten und trotzdem nicht ökonomisch zu ersticken. Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, dass es auch sonst niemand weiß.
Vor einem guten Jahr ersetzte Monti Berlusconi, ein Segen nicht nur für die Demokratie. B. hatte jahrzehntelang ignoriert, dass in Italien kaum noch investiert wurde, und stets behauptet, alles sei in bester Ordnung. Auch während der Finanzkrise setzte er ungerührt den Verschuldungskurs fort. Bis ihm der plötzlich in die Höhe schießende – und zur realen Bedrohung werdende – Spread den Hals kostete.
Anschließend tat Monti im Großen und Ganzen das, wozu ihn die EU aufgefordert hatte: Er versuchte die Sanierung des Staatshaushalts, indem er die (direkten und indirekten) Steuern erhöhte und die staatlichen Ausgaben kürzte. Die Kur war bitter, aber zumindest beim Spread wirkte sie. Allein schon das, meine ich, rechtfertigte den damaligen Wechsel.
Die Auswirkungen des gegenwärtigen SparkursesAber seitdem sind weitere 14 Monate vergangen, und es ist Zeit, nun auch die Politik der Monti-Regierung auf den Prüfstand zu stellen. Das Ergebnis ist durchwachsen. Der Spread ist gesunken. Aber die Rezession, in der sich Italien schon vorher befand, hat sich weiter vertieft, der Prozentsatz der Familien unter der Armutsgrenze ist beängstigend angestiegen. In einem Jahr erhöhte sich die Arbeitslosigkeit von 9,3 auf 11,1 % und erreicht bald die 3-Millionen-Grenze. Es mag nur als Nebensache erscheinen: Die Leute verkaufen ihren Schmuck. Nicht die Reichen, die davon viel haben, sondern die Armen, die nicht wissen, wie sie sonst das Monatsende erreichen sollen. Ein Indikator sind die Jugendlichen zwischen 15 und 24, die nicht zur Schule gehen bzw. studieren. Bei ihnen stieg die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres um 5 auf 37 %. Sogar die Immigranten verlassen Italien, von den dort gemeldeten sind mittlerweile 800 000 verschwunden – die meisten wohl in den europäischen Norden. Die durchschnittliche Steuerlast für Normalverdiener nähert sich den 45 %, die durchschnittliche Kaufkraft brach um 4,4 % ein, die Mobilität (Benzin, Autos, Reisen) um 15 %.
Wenn, wie zu befürchten, im Juli die Mehrwertsteuer weiter erhöht wird, schlägt dies direkt auf die Massenkaufkraft durch. Hinzu kommen die staatliche Zahlungsunfähigkeit und die Kreditklemme: Leistungen, die der Staat bei Privatunternehmen in Auftrag gab, bezahlt er erst mit jahrelanger Verzögerung, und den so in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen geben die Banken keinen Kredit. So dass immer mehr in Konkurs gehen, weil sie Beschäftigte und Zulieferer nicht mehr bezahlen können. Die Kurzarbeit erreicht schwindelerregende Höhen, und da die Steuereinnahmen sinken, werden die Löcher im Staatshaushalt noch tiefer. Den Montis Sparpolitik eigentlich „in Ordnung“ bringen sollte.
Gibt es eine Alternative?
Die optimistische Lesart dieses Prozesses heißt „Rosskur“, das heißt am Ende wird der Patient gestärkt aus ihm hervorgehen. Aber dafür spricht gegenwärtig wenig: Die Infrastruktur zerfällt, das Ausbildungssystem geht vor die Hunde, das Land verliert seine produktive Basis. Die „Rosskur“ nimmt dem Land auch die Zukunft. Die Lega Nord steht Gewehr bei Fuß, um auf dem wirtschaftlichen Notstand ihr Süppchen zu kochen. Für das Bündnis mit ihr musste die PdL die Lega-Forderung übernehmen, dass künftig 75 % des Steueraufkommens der Nord-Regionen auch im Norden bleiben sollen. Würde dies umgesetzt, könnten im Süden die meisten Schulen schließen.
Die Aufgabe der nächsten Regierung wird es sein, das von Monti hinterlassene Erbe so umzugestalten, dass Italien weiterhin auf Sparkurs bleibt, aber trotzdem aus der Rezessionsspirale herauskommt. Eine schwere und sicherlich auch undankbare Aufgabe, von der jetzt schon klar ist, dass sie ein Berlusconi nicht bewältigen wird. Es wird die Linke sein, die sich ihr stellen muss – ob mit oder ohne Monti, entscheidet die Wahl.
Die Frage ist, wie sich die Linke auf diese Aufgabe vorbereitet. Wir beginnen mit dem Plan, den dazu kürzlich der größte Gewerkschaftsverband Italiens, die CGIL, vorlegte. Und nennen ihn nach der CGIL-Vorsitzenden den „Camusso-Plan“.
Fortsetzung folgt