Die Brüsseler Verabredung: B. ist wieder im Spiel

Die EVP stellt mit 271 Abgeordneten (darunter 42 von der CDU/CSU) die größte Fraktion im Europaparlament und in der EU 14 von 27 Regierungschefs (darunter Angela Merkel). Vor jedem EU-Gipfel trifft sich die EVP-Führung, um sich politisch abzustimmen. Das Ergebnis wird nicht an die große Glocke gehängt, auch nicht gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, die sich sowieso wenig dafür interessiert – es geht ja um Dinge, die nicht verkündet, sondern umgesetzt werden sollen. Die folgende Information über das Brüsseler Treffen vom 14. März verdanken wir der „Repubblica“ (vom 15. 3.).

Das EVP-Treffen

Natürlich standen das Ergebnis der italienischen Wahlen auf der Tagesordnung. Mario Monti, der inzwischen zur Vertrauensperson der EVP für Italien aufrückte, eröffnete mit einer kurzen Analyse. Und kritisierte noch einmal B. wegen seines gegen Monti gerichteten populistischen und antieuropäischen Wahlkampfes. Dann kam Casini: Italien brauche jetzt trotzdem eine Regierung, die sich auf das Zentrum und die „reformistischen Flügel“ der PD und PdL stützt. „Jenseits von Berlusconi“ müsse man auch die PdL einbeziehen. Als untere Charge setzte der anwesende PdL-Vertreter hinzu: Die EVP brauche auch deshalb die PdL, um 2014 bei den Europawahlen wieder die Sozialisten zu schlagen.

Der Wind in der EVP hat sich gedreht. Vor drei Wochen setzte sie noch auf das Bündnis Monti-Bersani, möglichst ohne Vendola, aber auch ohne den desavouierten Berlusconi. Nach den Wahlen ist jetzt Grillo der Hauptfeind geworden, der politisch zu neutralisieren ist. B. gilt zwar weiterhin als unzuverlässig, aber avanciert mit dem jetzt anvisierten Bündnis zwischen Zentrum, PD und PdL zum „kleineren Übel“. Von Kaltstellung oder gar Ausschluss keine Rede mehr.

Martens (EVP) und Berlusconi

Martens (EVP) und Berlusconi

Angela Merkel fasste am Ende zusammen: „Italien braucht eine große Koalition für eine starke und stabile Regierung“. Und da sie weiß, wo in Rom der Hammer hängt, fügte sie hinzu: „Wir vertrauen dabei auch auf Staatspräsident Napolitano“. Wilfried Martens, der Präsident der EVP, wird noch klarer: „Berlusconi hat sich bereit erklärt, mit der PD eine Regierung zu bilden. Das ist für die EVP die richtige Linie“. Sein Stellvertreter, der Portugiese Mario David, ergänzt: „Die Weigerung der PD, Italien eine stabile, demokratische und pro-europäische Regierung zu ermöglichen, ist bedauerlich. Das sollte sie überdenken“.

Viva Berlusconi

Also Nase und Augen zu und wieder Arm in Arm mit Berlusconi, das ist die Brüsseler Verabredung. Das Ergebnis dürfte sich in den nächsten Monaten zeigen: der Versuch einer konzertierten Aktion zwischen Zentrum und B.s PdL. Wenn es stimmt, dass Monti der PdL schon vor der Wahl des Senatspräsidenten ein weitreichendes Paketangebot machte (s. im Blog „Punktsieg für Mittelinks“), war dies nur ein missglücktes Vorspiel. Das Ziel der Konzertierung ist einerseits die PD, die endlich ihr Werben um Grillo beenden soll – zeigt sich Grillo weiterhin spröde, stehen dafür die Chancen gut. Wenn bei der Gelegenheit der PD Vendola und ihr linker Flügel abhanden kommen, umso besser. Das andere Ziel ist Napolitano. Auch wenn er vielleicht nicht die Brüsseler Verabredung begrüßen darf, müsste ihm doch ihr Ergebnis gefallen. Er ist der Staatspräsident, und als solcher sollte er für eine stabile Regierung zu fast jedem Teufelspakt bereit sein. Zumal ihm die Grillo-Truppe sowieso suspekt sein dürfte. Wenn Merkel sagt, sie habe „Vertrauen“ zu Napolitano, wird sie ihm das bald durch einen entsprechenden (hilfreichen) Anruf zum Ausdruck bringen.

Einmischung? Gott behüte!

Als wir in den vergangenen Jahren die deutschen EVP-Vertreter fragten, warum sie immer noch den Antidemokraten B. in ihren Reihen dulden, wurde uns geantwortet, man mische sich „nicht in die inneren Angelegenheiten Italiens“ ein. Was jetzt in Brüssel verabredet wurde, ist natürlich keine Einmischung, sondern war nur ein kleiner Plausch unter Freunden gewesen. Der ja wohl noch erlaubt sein wird. Trotz B.s antideutscher Demagogie („Germanokratie“) und Merkel-Beschimpfung („Riesenarsch“). Und allem, was er der italienischen und somit auch europäischen Demokratie sonst noch antat – und weiterhin antut. Man ist eben gnadenlos pragmatisch.