Kommunalwahlen: 16 : 0 für Mittelinks
Bei den Stichwahlen am vergangenen Wochenende haben sich überall die Mittelinks-Kandidaten durchgesetzt. In allen elf Kommunen, die Provinzhauptstädte sind und in denen gewählt wurde, stellen sie jetzt die Bürgermeister. In weiteren fünf Städten hatte Mittelinks bereits im ersten Wahlgang gewonnen. PdL und Lega gingen völlig leer aus und verloren auch rechte Hochburgen, u. a. Treviso und Brescia.
Marino wird Bürgermeister RomsMit Spannung wurde insbesondere das Ergebnis in Rom erwartet, wo der linke Kandidat Ignazio Marino beim ersten Wahlgang mit 42,8 % schon 12 Punkte vor dem bisherigen Bürgermeister Alemanno (PdL) lag. Die Stichwahl gewann Marino deutlich mit 63,9 %. Alemanno (36,1 %) gelang es trotz einer aggressiven Diskreditierungskampagne nicht, seinen Herausforderer zu stoppen. „Marino = illegale Siedlungen für Roma“ stand auf den PdL-Plakaten. Er sei „gefährlich“ und „gegen das Leben und die Familie“ hieß es, in Anspielung an Marinos Forderungen nach mehr Rechten für Patienten und homosexuelle Paare. Marino, ein kluger Mann mit eigenem Kopf (auch in der eigenen PD) gelang es dennoch, konkrete Vorschläge zu „harten“ Themen wie die Sicherheit in der Stadt mit Forderungen nach mehr zivilgesellschaftlicher Öffnung und Solidarität mit Minderheiten und sozial Benachteiligten zu verbinden.
Erschreckend niedrig, in Rom (ca. 45 %) wie in den anderen Kommunen, lag die Wahlbeteiligung, die gegenüber dem ersten Wahlgang – wie meistens bei Stichwahlen – noch weiter zurückging. Offensichtlich blieben insbesondere Wähler von Grillos 5-Sterne-Bewegung (M5S), aber auch von PdL und Lega zu Hause.
Grillos Absturz in Sizilien
Auch in Sizilien, wo jetzt in Catania, Messina, Siracusa und Ragusa der erste Wahlgang stattfand, erreichte Mittelinks ein gutes Ergebnis. In Catania und Messina haben linke Bürgermeisterkandidaten schon im ersten Wahlgang gewonnen, in Ragusa und Siracusa, wo es Stichwahlen geben muss, liegt Mittelinks vorne. Dramatisch war – bei übrigens höherer Wahlbeteiligung als auf dem Festland – der Absturz der M5S, die. bei den vergangenen Regional- und Parlamentswahlen über 30 % erreichte und in Sizilien sogar stärkste Partei wurde. In Catania fiel sie von 31,9 auf 4 %, in Ragusa von fast 40 auf 10,3, in Siracusa von 35,3 auf 2,5 und in Messina von 27,7 auf 2,5 %. Nur in Siracusa schaffte es der M5S-Kandidat, mit 16,9 % in die Stichwahl zu kommen: (gegenüber 27,9 % des linken Kandidaten).
Die Ergebnisse bestätigen, wie stark der Wahlerfolg von PdL und M5S von deren Leadern Berlusconi und Grillo abhängt. Bei Kommunalwahlen, wo die beiden „Führer“ nicht im Mittelpunkt stehen, gehen sie leer aus. Die PdL – anders als die PD und auch anders als früher die Democrazia Cristiana – verfügt „nel territorio“, wie die Italiener es sagen, kaum über gefestigte Strukturen und noch weniger über glaubhafte örtliche Vertreter. Sie ist und bleibt ein Berlusconi-Fanclub, zusammengehalten von der starken Hand des Bosses, getragen von persönlichen Einzelinteressen und Seilschaften und weitgehend immun gegenüber dem Gemeinwohl und den Bedürfnissen der Bevölkerung. Anders Grillos Bewegung, in der es vor Ort durchaus engagierte Aktivisten (wenn auch meist auf Einzelprojekte beschränkt) gibt, aber wenige erfahrene, bekannte Kandidaten mit „gesamtpolitischem Profil“. Zum heftigen Absturz dürfte auch beigetragen haben, dass viele frühere M5S-Wähler sich nach deren Einzug ins Parlament in ihrer Erwartung konkreter Veränderungen enttäuscht sehen.
Katerstimmung und Abrechnungen
Der Kater nach der Wahlniederlage ist sowohl bei der PdL als auch in der M5S heftig. Berlusconi, der die Ergebnisse mit keinem Wort kommentiert und diese unangenehme Aufgabe Untergebenen überlässt, sinniert angeblich – mal wieder – über eine Wiederbelebung seiner alten „Forza Italia“. Was ihn aus dem Dilemma, das in der Konzentration ausschließlich auf seine Person und im Fehlen an qualifiziertem „politischem Personal“ liegt, kaum herausführen wird. Ein Dilemma, das inzwischen von vielen in der PdL ohne Umschweife eingeräumt wird..
Erst recht fliegen die Fetzen in Grillos Bewegung. Die Kritik an seinem Führungsstil wird immer direkter. Eine Senatorin, die nach dem Wahldebakel erklärte, das Hauptproblem der Bewegung sei Grillo selbst, beschimpfte er in seinem Blog als „nichtswürdig“ und forderte sie zum Austritt auf. Innerhalb der Fraktionen im Abgeordnetenhaus und im Senat rumort es heftig. Zwei Abgeordnete sind bereits ausgetreten, sie werden nicht die einzigen bleiben. Grillos Methode der „eisernen Faust“, in Wahrheit ein Zeichen von Schwäche und Ratlosigkeit, wird den Zersetzungsprozess innerhalb der M5S kaum stoppen können. Genauso wenig wie die vom ihm jetzt gestartet Web-Umfrage: „Glaubt ihr, dass ich das Problem bin?“ (wozu ich meinerseits sagen würde, nicht er ist „das Problem“, sondern diejenigen in der M5S, die sich seiner Alleinherrschaft widerspruchslos unterordnen).
Auf Seiten der „Gewinner“ herrscht zwar Freude, aber – aus gutem Grund – keine Triumphstimmung. Man ist fast verwundert darüber, dass man sich vor Ort so gut „gehalten“ hat. Denn die Kämpfe innerhalb der PD sind nach wie vor in vollem Gange. Und die hohe Zahl der Wahlverweigerer ist ein unübersehbares Signal für die Unberechenbarkeit der politischen Stimmung im Land. Dass Ministerpräsident Letta angesichts der Wahlergebnisse von einer „deutlichen Stärkung“ seiner Regierung spricht, scheint deswegen gewagt. Es klingt eher nach Selbstberuhigung als tiefer Überzeugung.