Affenvergleiche und Bananenwürfe
Cécile Kyenge, Integrationsministerin in der Letta-Regierung, wird tagtäglich beleidigt, beschimpft und mit dem Tode bedroht. „Täglich und auf allen Wegen“, wie sie sagt. „Per Mail, durch Briefe, am Telefon“.
„Also, wenn ich im Internet surfe, sehe ich die Fotos der Regierungsmitglieder und auf einmal sehe ich die Kyenge! Verdammt, das verschlägt mir die Sprache! Ihr wisst ja, ich liebe Tiere, hatte auch welche: Tiger, Bären, Affen, auch Wölfe … Aber wenn ich die Kyenge sehe, ich kann mir nicht helfen: die sieht genau – ich sag ja nicht, dass sie einer ist – wie ein Orang-Utan aus!“. So Roberto Calderoli von der Lega-Nord vor einigen Tagen auf einer Kundgebung. Er ist Vizepräsident des italienischen Senats. Der daraufhin erhobenen vielfachen Aufforderung zum Rücktritt (eine Abwahl von Mitgliedern des Senatspräsidiums ist nicht möglich) kam er nicht nach. Er „entschuldigte“ sich, indem er sagte, er hätte Frau Kyenge „nicht beleidigen“ wollen, sein Vergleich hätte sich „lediglich auf ihre Gesichtszüge bezogen“. Womit er die Beleidigung bekräftigt. Ein paar Tagen später, als Kyenge an einem Fest der PD, der sie angehört, in Cervia (Emilia Romagna) teilnahm, bewarf sie ein Mann mit Bananen und Mitglieder der rechtsradikalen Gruppierung Forza Nuova legten auf den zentralen Platz blutbeschmierte Schaufensterpuppen und Pappschilder mit der Aufschrift „Einwanderung tötet – nein zum jus soli“ (Recht auf Einbürgerung für in Italien geborene Migrantenkinder, Anm. MH). Während eines Auftritts von Kyenge in Pescara hatte die gleiche Gruppe Stricke in Ku Kux Klan-Manier hochgehalten.Kyenge reagiert ruhig …
Die Ministerin reagiert auf alle diese Attacken bewundernswert ruhig, wie es ihre Art ist. Zu Calderoli persönlich habe sie nichts zu sagen, zumal es sich um keine persönliche, sondern eine politische Angelegenheit handele. Auch zur Frage, ob er zurücktreten solle oder nicht, wolle sie sich nicht äußern. Es sei Aufgabe der Lega, in den eigenen Reihen eine Diskussion darüber zu beginnen, „welche politische Botschaft sie nach außen vermitteln möchte“. Und Aufgabe der ganzen Gesellschaft, darüber nachzudenken, wer die demokratischen Institutionen vertreten solle. Auch nach den Bananenwürfen zeigte sich Kyenge souverän und kommentierte mit einem Schuss Ironie: „Viele Leute leiden heutzutage wegen der Krise Hunger und es stimmt traurig, wenn Lebensmittel auf dieser Weise verschwendet werden“.
Frau Kyenges Gelassenheit mit Verharmlosung zu verwechseln, wäre ein Fehler. Das Gegenteil ist der Fall. Ihre Reaktionen sind stets politisch. „Nicht ich wurde beleidigt, sondern Italien“, urteilte sie nach Calderolis Verbalattacke. Und nach dem Angriff in Cervia twitterte sie: „Der Mut und der Optimismus, um die Dinge zu ändern, müssen vor allem von unten kommen und die Institutionen erreichen. Am 30. Juli startet die Umsetzung des Antirassismusplans entsprechend unseren nationalen Verpflichtungen“. Klare Botschaften an die Bürger und Institutionen, Verantwortung zu übernehmen.
… und politisch
Natürlich räumt sie in Interviews ein, dass die rassistischen Beleidigungen und Bedrohungen sie verletzen und beunruhigen. Aber sie schafft es, den Blick auf die kulturelle und gesellschaftliche Dimension des Problems zu richten. Sie werde so heftig angegriffen, weil sie als Schwarze, Frau und Ministerin eine besonders exponierte Repräsentantin jener „Diversity“ sei, die in Italien und anderswo längst gesellschaftliche Realität ist. Gewalt richte sich nicht allein gegen Migranten, auch Frauen und Homosexuelle seien betroffen. Bei ihrem Amtsantritt erklärte sie, ihre Ernennung sei eine Art „Thermometer“ für die Temperatur im Land. Die Temperatur sei zwar erhöht, doch Italien sei nicht krank, ergänzte sie jetzt. „Italien ist nicht rassistisch“ wiederholt sie immer wieder und verweist auf die Beispiele von selbstverständlichem Zusammenleben, von Solidarität und Engagement überall im Land. Auch sie hätten jetzt unzählige Solidaritätsadressen erreicht, mit Dank für ihre Arbeit und der Ermutigung, diese fortzusetzen.
Solidarität mit Cécile Kyenge ist in der Tat notwendig. Zu ihrem Schutz, aber auch zum Schutz von Menschenwürde und Demokratie. Seitens der Bürger wie seitens der Institutionen. Innerhalb von wenigen Tagen unterzeichneten über 170.000 Menschen eine Online-Petition, die Calderoli zum Rücktritt auffordert. Auf Antrag der PD verabschiedete der Senat mit den Stimmen allen Parteien – außer der Lega, die sich enthielt – eine Erklärung, die der Ministerin Solidarität und Anerkennung für die geleistete Arbeit ausspricht. Jetzt kommt es darauf an, den Erklärungen Taten folgen zu lassen, z. B. indem wichtige Vorhaben der Integrationsministerin – Verbesserung der unwürdigen Zustände in den Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge, Reform des Staatsangehörigkeitsrechts – von Regierung und Parlament durchgesetzt werden.