Forza Berlusconia!
B. hat zurzeit zwei Probleme. Das eine sind seine Prozesse, die ihm, anders als früher, nun doch ernsthaft gefährlich werden können. Nicht dass er wirklich befürchten müsste, noch ins Kittchen zu wandern – er wird bald 77, die Gefängnisse sind sowieso überfüllt. Aber wenn das Verbot, noch irgendwelche politische Ämter zu bekleiden, rechtskräftig wird, könnte es ihn die verbliebene politische Macht kosten und damit auch sein Wirtschaftsimperium gefährden. Das zweite Problem ist, dass sich auch seine politische Botschaft nicht mehr so gut verkauft. Bei der letzten Parlamentswahl verlor er bereits viele Millionen Wähler. Zwar hat er es noch einmal geschafft, jede dritte Wählerstimme zu bekommen und – Grillo sei Dank – seine Partei in die Regierung zu hieven. Aber die kommunalen Wahlen zeigten, dass dem „halben“ Sieg ein wenig die Substanz fehlt.
Die Wiedergeburt von Forza Italia
B. wäre nicht der, der er ist, wenn er dem tatenlos zuschauen würde. Seine politische Botschaft verkauft sich nicht mehr? Dann muss die Verpackung verändert werden! Obwohl ihn seine Kreatur, das „Volk der Freiheit“ (PdL), schalten und walten lässt wie er will, muss dafür etwas Neues her, auch wenn es in Wahrheit nicht ganz so neu ist: „Forza Italia“ soll es heißen, wie die Partei, mit der er 1994 auf Anhieb alle Konkurrenten aus dem Feld schlug. Eine Partei mit „leichten“ Strukturen (d. h. auf die man von oben her den vollen Durchgriff hat), örtlich geführt und finanziert von jungen Unternehmern. Wofür man demonstrativ ein paar Sündenböcke schlachtet wie den bisherigen „Kronprinzen“ Alfano, eigentlich ein treuer Gefolgsmann von B., der aber in Ungnade fiel, weil man beschlossen hat, ihn für die jüngsten Stimmenverluste der PdL verantwortlich zu machen.
Plan B mit Marina
Die Überlegungen gehen weiter. Obwohl sich B. einen Park voller Gespielinnen hält, ist er ein Familienmensch. Am Tag nach dem Ruby-Urteil versammelte sich der Familienrat, in Gestalt von B. und seinen fünf Söhnen und Töchtern. Wohl als eine Art Versuchsballon drang anschließend die Nachricht nach draußen: Nun soll B.s Erstgeborene, Marina, auch politisch zu seiner Erbin werden. Eine Rolle, die sie geschäftlich längst übernommen hat: Sie ist Chefin der Holding Fininvest, die B.s Unternehmungen
kontrolliert, mit 10 Mrd. Jahresumsatz und 22 000 Beschäftigten, außerdem Präsidentin des Berlusconi-eigenen Zeitschriftenverlags Mondadori und Vorstandsmitglied der Mediobanca. Laut der US-Zeitschrift „Forbes“ ist sie, die mit B. die Liebe zur Schönheitschirurgie teilt, die einflussreichste Frau Italiens.Der Gedanke, dass Marina auch B.s politische Unternehmungen erbt, liegt nahe. Denn erstens ist damit zu rechnen, dass B. kein politisches Amt mehr bekleiden darf; zweitens setzt die Art von Geschäften, die der Familien-Clan betreibt – vor allem im Medienbereich, oft jenseits der Legalität – politische Macht voraus; drittens ist Marina die loyalste und unkritischste von B.s Sprösslingen, welche die Fortdauer von dessen Einfluss garantieren würde; viertens ist sie Unternehmerin, also genau das, was sich B. als Träger einer runderneuerten „Forza Italia“ wünscht, und fünftens würde sie Renzi, dem aufgehenden jugendlichen Stern der PD, ein hübsches wohlkonserviertes Äußeres entgegensetzen, obwohl sie 9 Jahre älter ist.
Sie hat nur ein Handicap: Politisch ist sie ein unbeschriebenes Blatt – es sei denn, man hielte die Richterschelte, in die sie in den letzten Monaten immer häufiger einstimmte, um ihren Vater zu unterstützen, bereits für „Politik“. Es ist kein Zufall, dass B. für seine politischen Aktivitäten außerhalb seiner Familie keinen „natürlichen“ Erben findet. Die pflegt er, wie jetzt Alfano, früher oder später zu verheizen. Wenn politisches Engagement die Fortsetzung eigener Geschäfte mit anderen Mitteln ist, bleibt Politik Familienangelegenheit.
Ein vorläufiges Dementi
In der PdL hat die Meldung ein überwiegend positives Echo ausgelöst. Dass Marina damit auch erbt, was eine böswillige Umwelt „Interessenkonflikt“ nennt, interessiert niemanden. B.s treueste Gefolgsfrau Santanchè erklärte, es sei doch gut, wenn eine Frau in seine Fußstapfen trete, und vielleicht sogar ein Vorteil, wenn sie sich bisher von der Politik ferngehalten habe. Andere vergleichen die Berlusconis mit der Dynastie der Kennedys (was für ein Vergleich!). Nur der PdL-Fraktionsvorsitzende Brunetta erklärte in einem Anfall von Republikanismus: „Ich mag keine Dynastien, weder monarchische noch demokratische“.
Geben wir das letzte Wort Marina B. selbst. Gegenüber der „Welt“ erklärte sie vor ein paar Tagen, die Meldungen über ihren Einstieg in die Politik seien „ohne Fundament“. „So etwas muss sich jeder Schritt für Schritt erobern. Zwischen politischem Interesse und direktem politischen Engagement liegen Welten. Und ich kann keine Brücke bauen“. Angesichts einer solchen Äußerung könnte man auf die Idee kommen, dass Marina im Clan noch den hellsten Verstand hat. Aber vielleicht ist das gerade der Hintergedanke ihres (vorläufigen) Dementis. Jemand, der ihr beim Bau der noch fehlenden Brücke hilft, findet sich sicherlich.
Marina hat selbst zwei Söhne. Der eine heißt Gabriele, 11 Jahre alt. Den anderen, 9 Jahre, hat Marina vorsorglich Silvio genannt. Damit man ihn in den Geschichtsbüchern einmal SILVIO II. nennen kann? Beide Söhne werden in zwei Jahrzehnten so weit sein. Und Italien bliebe BERLUSCONIA, auf unabsehbare Zeit.