Stahlunternehmen Riva lernt von Berlusconi
„Wir müssen leider schließen, die Richter zwingen uns dazu“ so vor einigen Tagen die Riva-Familie, der die Ilva-Stahlwerke gehören, nach dem Produktionsstopp in sieben norditalienischen Werken, in denen Stahl verarbeitet wird. Zur Erinnerung: Im Mai dieses Jahres hatte die Untersuchungsrichterin Patrizia Todisco die Beschlagnahme eines Teils des Vermögens der Rivas in Höhe von 8,1 Milliarden Euro angeordnet. Eine Sanktion, um die – vom Unternehmen bisher unterlassene – Erfüllung der Umweltauflagen im Hauptwerk von Taranto durchzusetzen.
Mitte September wurde die Beschlagnahme vollzogen. Und die Riva-Gruppe reagierte sofort mit der faktischen Aussperrung von ca. 1500 Arbeitern in Norditalien. Das Unternehmen habe aufgrund der richterlichen Anordnung nicht mehr die liquiden Finanzmittel, um die notwendigen Zahlungen zu leisten und die Produktion in Norditalien fortzuführen.Aussperrung als Erpressungsmittel
Eine dreiste Lüge. Denn die Anordnung stellt eindeutig klar, dass es bei der Beschlagnahme nicht darum geht, dem Unternehmen den Zugang zu seinem Vermögen zu untersagen, sondern dieses unter staatliche Kontrolle zu stellen. Das bedeutet, dass die Rivas vor dessen Nutzung – „zur Fortsetzung des Produktionsbetriebs, der Zahlung an Lieferanten, Banken und für jedweden weiteren Bedarf“ – erst einen Antrag beim gerichtlich beauftragten Vermögensverwalter stellen müssen.
Ausdrücklich weist die Staatsanwaltschaft von Taranto daraufhin, dass nach dem Gesetz auch eine komplette Blockierung des Vermögens und sogar der Produktion möglich gewesen wäre, man jedoch davon abgesehen habe, um nachteilige Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze zu vermeiden. Hinzu kommt, dass die Beschlagnahme nur in geringem Maß das finanzielle Vermögen der Familie betrifft, das teilweise in ausländischen „Steueroasen“ liegt, unerreichbar für staatliche Kontrollorgane. Die Schließung der norditalienischen Werke durch die Riva-Gruppe – so die Staatsanwaltschaft – sei daher mitnichten eine Folge der richterlichen Anordnung, sondern eine freie Unternehmensentscheidung.
„Die Richter sind schuld“
Trotz dieser Fakten haben die Rivas erst einmal erreicht, was sie wollten: Die Arbeiter in den geschlossenen norditalienischen Stahlwerken protestieren vor allem gegen die Justiz und sogar gegen ihre Kollegen im tarentinischen Hauptwerk, der von der Riva-Gruppe mit Bedacht von den Schließungen ausgenommen wurde. „Weil in Taranto die Umwelt vergiftet wird, müssen unsere Werke, in denen sauber und erfolgreich produziert wird, geschlossen werden! Sollen sie doch in Taranto schließen!“ empören sich die Arbeiter in Verona, Varese, Cuneo, Brescia und Lecco. Norditalienische Ressentiments gegen den süditalienischen „Klotz am Bein“ werden neu entfacht, die Spaltung der Belegschaft ist perfekt und an allem sind die Richter schuld und nicht diejenigen, die jahrzehntelang aus reiner Profitgier Gesetze und Umweltauflagen missachtet und Krankheit und Tod der tarentinischen Arbeiter und ihrer Familien bewusst in Kauf genommen haben.
Berlusconi macht Schule
Es ist exakt das Muster, dem auch Berlusconi folgt: Wird er wegen Steuerbetrug, Amtsmissbrauch, Korruption und Förderung der Prostitution von Minderjährigen verurteilt, ist nicht er schuld, sondern die Richter, die ihm diese Straftaten nachweisen. Wenn der Riva-Patron und seine Söhne ganze Stadtteile mit todbringenden Giften wie Dioxin und Benzopyren verpesten, sind nicht sie schuld, sondern die Richter, die es aufdecken und sanktionieren.
Die Regierung hat den betroffenen Belegschaften Unterstützung zugesichert und sucht nach Lösungen. Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung (Zanonato, PD) erwägt, durch eine Gesetzesänderung dem staatlichen Vermögensverwalter direkten Zugriff auf das beschlagnahmte Vermögen und so die Wiederaufnahme der Produktion zu ermöglichen. Das sei „keine Enteignung“, präzisiert der Minister, sondern „eine vorübergehende Notmaßnahme zur Sicherstellung von Produktion und Arbeitsplätzen“. Der Chef der Metallgewerkschaft FIOM Landini fordert, das ganze Unternehmen – und nicht nur das Werk in Taranto – unter Zwangsverwaltung zu stellen. Die Riva-Gruppe ihrerseits hat beim Kassationsgericht Einspruch gegen die Beschlagnahme eingelegt. Und wird wahrscheinlich bei einem für sie negativen Urteil – wie Berlusconi – die Schuld wieder bei der Justiz suchen und die Arbeiter die Zeche zahlen lassen. Als Erpressungsmittel gegenüber dem Staat. Genau wie Berlusconi mit der Drohung einer Regierungskrise den Staatspräsidenten und die mitregierende PD zu erpressen versucht.