Der Wolf frisst Kreide

Nach dem „Gipfeltreffen von Arcore“, hatten B. und die PdL-Hardliner die Parole ausgegeben: „Raus aus der Regierungskoalition, wenn die PD nicht den Mandatsverlust B.s verhindert“. Was baldige Neuwahlen bedeuten würde, wie die „Falken“ der PdL triumphierend verkündeten.

Die Tür sollte lieber zu bleiben

Die Tür sollte lieber zu bleiben

Ein paar Tage danach verbreitete B. dann über die PdL-Website einen Aufruf an das Parteivolk, in dem „alle aufgefordert werden, keine Erklärungen … abzugeben, die geeignet sind, die Polemik zu entfachen und den inneren Zusammenhalt (der PdL, MH) zu gefährden“. Ganz klar eine Botschaft an die „Falken“, sich zu „mäßigen“ und das schon heiße Klima nicht weiter anzuheizen.

Mediaset-Aktien stürzen ab

Was hat den alten Wolf dazu geführt, auf einmal Kreide zu fressen? Der Aufruf kam gleich nach dem dramatischen Absturz von B.s Unternehmen an der Börse, wohl wegen der Aussicht auf eine baldige Regierungskrise. Vor allem B.s Medienkonzern Mediaset verlor so stark (-7,5 %), dass er zeitweilig aus dem Handel genommen werden musste, um Schlimmeres zu verhüten. Innerhalb von vier Stunden waren 150 Millionen Euro futsch. Das Mitregieren in der „großen Koalition“ indessen zahlte sich für B. im wahrsten Sinne des Wortes aus: Von Februar bis letzten Freitag nahm der Aktienwert seiner Unternehmen um 1,4 Milliarden zu. Sicherlich ein Grund, warum gerade seine an der Unternehmensführung beteiligten Kinder Marina und Piersilvio und seine wichtigsten Manager (Fedele Confalonieri von Mediaset, Ennio Doris von Mediolanum) ihm dringend vom Koalitionsbruch abrieten.

Nun heißt der Aufruf zur „Mäßigung“ gewiss nicht, dass er seine Erpressungsversuche gegenüber der mitregierenden PD und dem Staatspräsidenten aufgeben wird. Denn neben dem Absturz seiner Aktien befürchtet er vor allem, durch den Mandatsverlust und das erneute Kandidaturverbot von der politischen Bühne gefegt zu werden. B. ist zwar ein Abenteurer, aber zugleich ein kalt berechnender Mann und gewiefter Taktiker. Seine emotionale Ausbrüche, die durchaus beeindruckend sein können, stehen dazu nicht im Widerspruch, sondern gehören dazu. Jetzt aber zeigen sein Schwanken und seine widersprüchlichen Ansagen, dass er zunehmend die Nerven verliert. Zumal eine ganze Reihe von Prozessen – vom „Ruby-Prozess“ bis zum Abgeordnetenkauf während der Prodi-Regierung – noch auf ihn wartet.

Verzögerungstaktik

Dass er die Nerven verliert, macht ihn nicht weniger gefährlich, im Gegenteil. Er wird buchstäblich alles versuchen, um sich und sein Vermögen zu retten. Politisches oder gar staatliches Verantwortungsgefühl ist ihm vollkommen fremd. Das Wohl Italiens („Das Land, das ich liebe“) ist ihm schnurzegal. Und er weiß, dass er mit einem populistisch und aggressiv ausgerichteten Wahlkampf dank seiner genialen Begabung und seines riesigen Medienimperiums immer noch Millionen Italiener in seinen Bann schlagen kann. Man sollte sich daher von seinen „Appellen zur Mäßigung“ nicht täuschen lassen. Sie dienen eher dazu, die eigene Truppe zusammenzuhalten, um dann im richtigen Moment loszuschlagen. Wann er den Moment für gekommen sieht, hängt von einigen Entscheidungen ab, die in den nächsten Tagen fallen. Eine ist die Abstimmung in der Senatskommission, die für den Mandatsverlust zuständig ist (bevor sie dem Plenum endgültig zur Entscheidung vorgelegt wird). Sie ist für den 9. September vorgesehen. B. versucht eine Verschiebung zu erreichen, indem seine Juristen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes anzweifeln, das dieser Entscheidung zugrunde liegt und welches besagt, dass rechtskräftig verurteilte Abgeordnete ihr Mandat verlieren und von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Eine Überprüfung des Gesetzes durch das Verfassungsgericht würde ihm zumindest einige Monate Zeit verschaffen.

Leider gibt es auch in der PD einige, die zur Rettung der Letta-Regierung verkünden, es sei das gute Recht B.s „sich zu verteidigen“, und sei es durch Anrufung des Verfassungsgerichts. Dass sich B. schon über drei Instanzen hinweg – mit einer ganzen Schar hochbezahlter Anwälte – verteidigen konnte und trotzdem scheiterte, zählt für sie offenbar nicht. Auch dass nun plötzlich überprüft werden soll, ob es verfassungsgemäß sei, das Severino-Gesetz auf Straftaten anzuwenden, die vor dessen Verabschiedung begangen wurden, hinterlässt einen üblen Geschmack. Denn auf seiner Grundlage wurden bereits 17 Fälle verhandelt, von denen die meisten lange zurückliegende Vergehen betreffen. Ohne dass irgendein Zweifel an der Legitimität dieses Vorgehens aufkam. Da ging es aber auch nur um arme Würstchen – obskure Kommunalpolitiker und Hinterbänkler – und nicht um den Multimilliardär und skrupellosen Anführer der italienischen Rechten.

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