Montis Abstieg

Der ehemalige italienische Ministerpräsident Monti, der vor zwei Jahren Italien vor dem Bankrott rettete und deshalb „Super-Mario“ genannt wurde, steht vor den Trümmern seiner politischen Karriere. In beiden Kammern spalteten sich seine Fraktionen, er selbst trat von allen Funktionen in seiner Partei „Scelta Civica“ zurück. Das einzige politische Amt, das ihm bleibt, ist der Senator auf Lebenszeit, zu dem ihn Napolitano 2011 ernannte.

Es gab Zeiten, in denen Mario Monti für mich eine Art Hoffnung darstellte. Nicht weil ich seine neoliberalen Überzeugungen teile (die er auch hat). Sondern weil es nach 20 Jahren Berlusconi niemandem gleichgültig sein kann, wer in Italien das rechte Lager führt: ein korrupter Populist oder ein Konservativer, der persönlich zumindest integer ist.

Der Professor diskutiert

Der Professor diskutiert

Die Wahl und ihre Folgen

Aber schon die Februar-Wahl verlief für Monti enttäuschend, obwohl das von ihm geführte Zentrum damals noch auf über 10 % (3,6 Millionen) der Stimmen kam, wozu die von ihm gegründete Scelta Civica den Löwenanteil, nämlich 8,6 % beisteuerte. Aber gegen den Populisten Berlusconi, der dem Volk das Blaue vom Himmel versprach, kam auch Monti nicht an: Gemeinsam mit der Lega fuhr B. dreimal soviel Stimmen ein. Die „gemäßigte“, sich politisch dem Zentrum zurechnende Mittelschicht, auf die Monti setzte, ist und bleibt in Italien eine eng umgrenzte Minderheit.

Trotzdem hätte Montis Rechnung noch halbwegs aufgehen können, wenn die politische Landschaft Italiens nach der Wahl bipolar geblieben wäre. Denn dann hätte Montis Zentrum vielleicht die Rolle des Züngleins an der Waage spielen können. Trotz Montis sorgsam gepflegter „Äquidistanz“ zu beiden Lagern war klar, wem sich das Zünglein diesmal zuneigen sollte: der PD, um im Bündnis mit ihr nach der Haushaltskonsolidierung zu einer (gebremsten) Wachstumsförderung zurückzukehren. Mit der Hoffnung, sich auf diesem Wege weitere Wählerschichten erschließen zu können, zumal er noch einen weiteren Trumpf im Ärmel zu haben glaubte: den Zugang zur Europäischen Volkspartei, die sich einen Moment lang Monti als ihrem wichtigsten italienischen Partner zuwandte, nachdem B. allzu mutwillig dessen Regierung gestürzt hatte.

Aber die politische Landschaft, welche die Februar-Wahl hinterließ, war nicht mehr bipolar. Der Aufstieg von Grillos 5-Sterne-Bewegung hatte eine dritte Kraft entstehen lassen, die sich allen Bündnissen verweigerte, was wiederum die Fortsetzung jener „seltsamen“ Koalition erzwang, die in der Ära Monti nur ein Notbündnis auf Zeit sein wollte. Womit Montis neu gegründetes Zentrum nicht mehr das Zünglein an der Waage war, sondern das fünfte Rad an einem Wagen, der auch ohne es lief. Bestenfalls mit der Aufgabe, die beiden großen gegensätzlichen Parteien, welche die Regierung Letta zusammenzwang, ständig zum Kompromiss zu mahnen. Dabei wollte Monti eigentlich der Stachel sein, der die Regierung nicht zur Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern zu mutigen Reformen antreibt.

Slalom-Fahrer der Macht

Damit begann der eigentliche Abstieg Montis, denn seine Konstruktion war auf Sand gebaut. Bei der Auswahl der Menschen, die er in seine Bürgerliste aufnahm, zeigte der „Professor“ keine Menschenkenntnis. Einige von ihnen erwiesen sich, wie Monti nun selbst sagt, als „Slalom-Fahrer“ der Macht. Zum Beispiel Mario Mauro, der sich einst unter PdL-Flagge ins Europaparlament wählen ließ, aber zur Scelta Civica überlief, als Berlusconis Stern zu sinken schien. Die Koalitionsverhandlungen, die Mauro für Scelta Civica führte, katapultierten ihn in das Amt des Verteidigungsministers. Jetzt führt er die Abspaltung von Scelta Civica und zielt auf eine Vereinigung mit dem regierungsfreundlichen Flügel der PdL. Da dieser nicht ganz mit B. brechen möchte, ging Mauro vor ein paar Tagen bei B. essen. Und bot ihm dabei (angeblich) seine Unterstützung bei der Senatsabstimmung an. Alles ohne Montis Wissen, was diesen jetzt in den Rücktritt trieb.

Es mag sein, dass Monti auch sein eigener Charakter in die Quere kam: ein wenig zu rechthaberisch, zänkisch, rachsüchtig. Die Begründungen, mit denen sich seine Fraktion spaltete, begleiten wechselseitige Dementis. Die Abspalter behaupten, Monti arbeite auf den Sturz der Regierung Letta hin. Monti bestreitet es, kritisiert jedoch, dass die Regierung zuwenig Mittel in die Förderung des Wachstums stecke – stattdessen sei sie mit der Abschaffung der Wohnungssteuer IMU „vor Berlusconi in die Knie gegangen“. Den Abspaltern wirft Monti vor, auf ein neues Bündnis mit B. hinzuarbeiten und sich bei der bevorstehenden Senatsabstimmung über B.s Mandatsentzug auf dessen Seite schlagen zu wollen. Wenn jetzt Mauros Kumpel Casini mit frommen Augenaufschlag erklärt, er werde im entscheidenden Moment seinem „Gewissen“ folgen, klingt das als Dementi eher lauwarm – es kann auch als Angebot an den Meistbietenden verstanden werden. Der einzige, der hier noch Prinzipien hatte, scheint Monti gewesen zu sein. Er ist nun von der Bühne abgetreten.

Auf das undurchsichtige Spiel, das in diesem Zusammenhang die Europäische Volkspartei (EVP) treibt, ist noch einzugehen. Möglicherweise wartet sie einfach ab, um sich schließlich ganz „christlich“ auf die Seite des Stärkeren zu schlagen. Auch das hat Tradition.

Nachbemerkung der Redaktion


Wir vergaßen zu vermelden, dass das Mailänder Berufungsgericht, welches Berlusconis Nebenstrafe im Mediaset-Verfahren (Verbot, ein politisches Amt zu bekleiden) nachverhandelte, sie von 4 auf 2 Jahre senkte. Da B.s Anwälte auch dagegen sofort beim Kassationsgericht Berufung einlegten, hat B. erneut ein paar Monate Zeit, ehe es Rechtskraft erlangt. Davon unberührt bleibt das im Senat anhängige Mandatsentzugsverfahren, das Mitte November entschieden wird und das B. mit allen Mitteln zu verhindern sucht. Es stützt sich auf ein noch unter Monti verabschiedetes (und damals von der PdL mitgetragenes) Gesetz: Straftäter, die rechtskräftig zu mehr als 2 Jahren Gefängnis verurteilt wurden, dürfen 7 Jahre lang keine Abgeordneten-Mandat wahrnehmen. B.s Hauptstrafe im Mediaset-Verfahren ist rechtskräftig: 4 Jahre Gefängnis.


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