Spaltung
Nun ist es also geschehen: Berlusconis PdL hat sich gespalten und aufgelöst. Die Mehrheit folgt B. in seine neue/alte Forza Italia, die Minderheit um Alfano nennt sich vorläufig „Nuovo Centrodestra“ (NCD, Neue Mitterechte) und bildet in beiden Kammern autonome Gruppen – im Senat mit angeblich 37, in der Abgeordneten-Kammer mit 23 Mitgliedern. Die Mehrheit um B. kündigt den Übergang in die Opposition an, wenn ihm auch die PD in Anwendung des Severino-Gesetzes den Abgeordneten-Status aberkennt. Die Minderheit will trotzdem in der Regierung bleiben. Vor allem im Senat, in dem die PD über keine eigenständige Mehrheit verfügt, bringt Alfanos Gruppe genügend Abgeordnete auf die Waage, um die Regierung Letta am Leben zu erhalten
Der Kongress und seine VorgeschichteFür Samstag war der Nationalrat der PdL einberufen worden, um den Übergang zu Forza Italia abzusegnen. Der alternde Leader befand, seine Bewegung bedürfe einer Frischzellenkur. Eigentlich sollte es ein großes Medienspektakel werden, mit – wie der Italiener sagt – „tutti i Sacramenti“: Fahnen, Hymnen, rhythmische „Silvio! Silvio!“-Chöre. Mit SEINER Rede als einzigem Tagesordnungspunkt. Und dann Abstimmung ohne Diskussion.
Einziger Schönheitsfehler: Eine Dissidenten-Gruppe um Alfano blieb dem Kongress fern. Alfano ist nicht irgendwer, sondern der bisherige Generalsekretär der PdL, den B. einst persönlich zu seinem Nachfolger salbte. Um ihn hat sich eine Gruppe gebildet, die B. schon am 2. Oktober einen schmählichen Rückzug aufzwang, als er die Regierung Letta stürzen wollte Für die Teilnahme seiner Gruppe am Nationalrat hatte Alfano zwei Bedingungen gestellt: eine Garantie dafür, dass Berlusconi die Regierung bis zum Jahr 2015 unterstützt, auch wenn B. in der Zwischenzeit sein Senatoren-Mandat verliert, und eine angemessene Vertretung der Alfano-Strömung in der Führungsgruppe der Forza Italia. Als diese Bedingungen nicht erfüllt wurden, war die Spaltung schon im Vorfeld besiegelt.
Berlusconis Rede
Sie brachte noch einmal Berlusconi pur. Der Dompteur: Kurze Erwähnung Alfanos, „der für mich wie ein Sohn war“. Ein Hintertürchen zu ihm bleibt offen, denn er werde „wie die Lega“ auch weiterhin dem eigenen Lager zugehören (B. braucht noch die Stimmen von Alfanos Gruppe, wenn im Senat über seinen Mandatsverlust abgestimmt wird). Der Staatsmann: Monti sei bekanntlich „vor Deutschland in die Knie gegangen“, während Merkel und Sarkozy vor ihm, B., Angst hätten (bei den Stichworten „in die Knie“ und „Merkel“ starker Beifall). Der Ökonom: Austerität ist von Übel, die Steuern müssen runter. Ein wenig abwerten, ein wenig Inflation, ein wenig Geld drucken, und die Probleme sind gelöst (die logische Folge, der Austritt aus dem Euro, bleibt ungesagt). Der Antikommunist. Er erzählt eine Schauergeschichte aus dem Stalinismus: Die roten Häscher suchen nach einem untergetauchten Bischof und wollen von einem Freund des Bischofs wissen, wo er sich aufhält. Als der sagt, er wisse es nicht, erschießen sie vor seinen Augen seine Frau uns seine Kinder. B. suggeriert: Die gleichen Leute sind jetzt in Gestalt der Richter, Staatsanwälte und der PD in Italien hinter mir her. Weil ich für die Freiheit bin. Die über 600 anwesenden Delegierten, handverlesen, hören atemlos zu. Die meisten scheinen es wirklich zu glauben. Sie springen immer wieder auf und jubeln, auf stehende Ovationen getrimmt. „Gefängnis“, „Steuern“, „Merkel“, „Forza Silvio“, „Freiheit“ sind die Stichworte.
B.s Rede endet mit einem Schwächeanfall, die Hymne wird eingespielt, B.s Leibarzt erscheint. Dann die Abstimmung: für „Forza Italia“, ohne Gegenstimme, ohne Enthaltung.
Die Folgen
Dass B. kaum noch als „Partner“ zu betrachten ist, wird Letta eher erleichtern. Nun scheint es sogar möglich, dass seine Regierung bis 2015 im Amt bleibt. Aber ihre Arbeit wird dadurch nicht einfacher. Die Mehrheit, auf die sie sich im Senat stützen kann, ist deutlich geschrumpft, die Alfano-Gruppe wird mehr denn je zum Zünglein an der Waage. Sie kommt aus B.s Schule: Auch für sie bleiben die Steuern das Thema Nummer 1, und mit B.s demagogischem Atem im Nacken wird sie in diesem Punkt genauso kompromisslos sein wie er.
Die politische Landschaft Italiens verändert sich. B.s „Bewegung“ rückt nach rechts und wird durch die Wiedergründung von Forza Italia noch Berlusconi-höriger, antieuropäischer und populistischer. Und noch mehr „Anti-Euro“. Dass sich auch die Alfano-Gruppe weiterhin zu B. als Leader bekennt, hat politische Bedeutung: Obwohl selbständig, rechnet sie sich weiterhin seinem Lager zu – als „Bündnispartner“. Man kann die Spaltung zwischen B.s neuer „Forza Italia“ und der Alfano-Gruppe auch als Auflösung des Spagats sehen, den die PdL schon länger vollführt: einerseits Opposition, andererseits Regierung. Jetzt hat B.s Populismus eine Fessel weniger: die Mitverantwortung in einer Regierung.
Zeitgleich mit dem Gründungskongress von „Forza Italia“ spaltete sich vergangenen Samstag auch die von Monti gegründete „Scelta Civica“. Manche Beobachter sehen hier immer noch eine katholisch-christdemokratische Connection am Werk, die ein neues Zentrum gründen will. Ob sich die Alfano-Gruppe diesem Zentrum nähert, wird sich zeigen. Bisher sieht man hier mehr Auflösung als Aufbau. B. prophezeite Alfano bereits höhnisch das Schicksal Finis, der nach seinem Bruch mit B. in der politischen Versenkung verschwand.