Prost Neujahr, Silvio!
B. ist, trotz allem, ein Familienmensch. So wird er heute Abend im Kreise seiner Lieben darüber nachdenken. was ihm das Neue Jahr wohl bringt. Es wird ihn nicht gerade heiter stimmen.
Das Mediaset-Urteil …
Er wird noch einmal nachrechnen, was ihm jetzt droht. Eine Rechnung, die er sicherlich schon hundertmal machte – in durchwachten Nächten, von denen er nun häufiger spricht.
1) Mediaset-Prozess. Was feststeht, ist seine letztinstanzliche Verurteilung wegen Steuerbetrugs zu 4 Jahren, von denen er (aufgrund eines allgemeinen Straferlasses zur Leerung italienischer Gefängnisse) 3 nicht absitzen muss. Wegen seines Alters wird er auch das verbleibende Jahr nicht hinter Gittern verbringen, sondern es entweder mit Hausarrest (in B.s Fall: Villenarrest) oder leichter gemeinnütziger Arbeit ableisten. Hinzu kommt das 7-jährige Mandatsverbot, das aus dem Severino-Gesetz folgt. Zwar wehrt sich B. immer noch mit Händen und Füßen gegen Urteil und Mandatsverlust: Es gäbe neue Zeugen, der ganze Prozess müsse neu aufgerollt werden usw. Die Aussichten, dass er damit durchkommt, stehen schlecht.
… und seine Folgen
Aber seine volle Bedeutung erhält das Mediaset-Urteil erst vor dem Hintergrund der nun auf B. zurollenden Prozesslawine. Denn sie trifft ihn ohne den Schutz seines politischen Amtes.
2) „Ruby I“. Hier gibt es schon ein Urteil der ersten Instanz: wegen Amtsmissbrauchs und Begünstigung der Prostitution Minderjähriger 7 Jahre Haft und lebenslanges politisches Betätigungsverbot. Noch schlimmer. Wird das Urteil rechtskräftig, hat es auch rückwirkende Bedeutung, denn dann werden B. die 3 Jahre wieder zugerechnet, die ihm im Mediaset-Prozess vorerst erlassen wurden. Das wären bereits 10 Jahre.
3) Abgeordneten-Kauf. Seit dem 23. Oktober 2013 stehen Berlusconi und sein Helfer Valter Lavitola unter einer weiteren Anklage: dass sie 2006 den zu Prodis Mittelinks-Koalition gehörenden Senator De Gregorio mit 3 Mio. € bestachen, damit er die Fronten wechselte und „von innen“ her Prodis Sturz betrieb. Da der geständige De Gregorio als Kronzeuge der Anklage fungiert, scheint der Fall, der für B. teuer werden könnte, klar.
4) „Ruby III“ wegen Korrumpierung von Gerichtsverfahren. Parallel zu „Ruby I“ läuft ein weiterer Prozess („Ruby II“), in dem B.s Helfer (und Mädchen-Zuführer) Fede, Mora und Minetti wegen Begünstigung der Prostitution bzw. der Prostitution Minderjähriger unter Anklage stehen. Auch hier gibt es schon ein erstinstanzliches Urteil: Haft zwischen 5 und 7 Jahren. Da die Verteidigung in Ruby I und Ruby II eine ganze Riege junger Damen aufbot, um zu bezeugen, dass es sich bei B.s Festen nur um „elegante Abendessen“ handelte, läuft gegen sie ein Verfahren wegen falscher Aussage vor Gericht. Und offenbar gibt es schwerwiegende Indizien dafür, dass es B. war, der sie dazu mit Geld anstiftete. Worauf bis zu 12 Jahre stehen.
Ungefähr mit 100 wieder frei
Eine grobe Schätzung der Gesamtstrafe, mit der B. summa summarum rechnen muss, kommt also auf 20 bis 30 Jahre, abgesehen vom Verbot politischer Betätigung auf Lebenszeit (das schon bei „Ruby I“ droht). Berlusconi, der jetzt 77 ist, könnte also etwa 100 sein, wenn er wieder „frei“ ist (auch wenn es sich bis dahin nur um Hausarrest handeln würde). Man versteht seine Aufregung. Das eigentliche Wunder ist es nicht, warum das jetzt plötzlich alles über ihn hereinbricht. Das Wunder ist, dass er es so lange aufhalten konnte. Aber dieses Wunder hat jetzt – wahrscheinlich – ein Ende.
B.s Hybris war der Glaube, die Gesetze brechen und ungestraft davonkommen zu können. Auch wenn ihm dabei Millionen zujubelten (sie tun es zum Teil heute noch) und ihn an die eigene Omnipotenz glauben ließen. Aber nicht göttliche Nemesis holte ihn ein, sondern ein sehr irdischer Rechtsstaat, verkörpert durch Staatsanwälte und Richter, die unabhängig von ihrer politischen Gesinnung so „konservativ“ sind, ihren Job zu tun. Unfassbar für jemanden, der es gewohnt, alles und jedes kaufen zu können.
Straffreiheit für alle über 75!
Die „Repubblica“ berichtete, dass es in B.s neuer Partei, der „Forza Italia“, Überlegungen gebe, B. mit einem ultimativen Ad-personam-Gesetz zu Hilfe zu kommen: Menschen über 75 müssen nicht mehr in Untersuchungshaft und möglichst auch nicht mehr ins Gefängnis. Es soll nicht einmal ein Silvesterscherz sein. Einen wie mich (ich bin über 75) elektrisiert das. Gälte die Regelung in ganz Europa (was ich doch sehr hoffe!), hätten wir Alten eine ganz neue Perspektive: grundsätzliche Straffreiheit! Die Sparkassen-Filialen können sich schon mal auf etwas gefasst machen. Und uns könnte keiner mehr was …Prost Neujahr, Silvio!