Grillo: Flüchtlinge bringen Krankheiten mit
„TBC? Nein danke!“ titelte Grillo den Post in seinem Blog vom 2. September. 40 Polizisten hätten sich beim Kontakt mit Migranten aus Afrika angesteckt. Die „Rückkehr von Krankheiten, die in Italien seit Jahrhunderten verschwunden waren“, sei „ein nationales Problem“. Und weiter: „Hier, wegen des Rassismus-Tabus, haben wir die groteske Situation, dass die afrikanischen Staaten aus Angst vor der Verbreitung von Ebola ihre Grenzen schließen, … während wir sie weit öffnen, ohne eine einzige ärztliche Untersuchung derjenigen vorzunehmen, die von sonst wo in unser Land kommen“. Schuld an diesem Zustand seien die „Radical-chic und die Linke“, die ein Problem wegzureden versuchen, dessen Folgen sie selbst nicht treffen würden.
„Ärzte ohne Grenzen“ widersprechen
Kurz darauf antwortete die italienische Sektion von „Ärzten ohne Grenzen“ mit einer Stellungnahme, die mit konkreten Fakten zeigt, wie tendenziös und wahrheitswidrig Grillos Polemik ist. Hier Auszüge:
„Statt ‚TBC nein danke‘ sagen wir von Medici Senza Frontiere (MSF) ‚Nein danke‘ zu einer Panikmache, die auf Ignoranz statt auf Tatsachen setzt … Unsere Mitarbeiter sind ständig an den Küsten Siziliens präsent, um Tausende von Flüchtlingen, die vor schrecklichen Konflikten fliehen, zu betreuen … Angesichts der Falschmeldungen, wie sie in den letzten Tagen in Italien verbreitet wurden, können wir nicht schweigen.In den ersten Monaten von 2014 führten wir – in Zusammenarbeit mit der Gesundheitsbehörde der Provinz Pozzallo – bei ca. 12.000 Personen, die dort an Land gegangen waren, ein Gesundheits-Screening durch. In der Regel handelt es sich um junge Menschen in gutem Gesundheitszustand. Bei fast allen diagnostizierten Erkrankungen handelt es sich um solche, die mit den schwierigen Lebens- und Reisebedingungen zusammenhängen: Hautinfektionen, Gelenkschmerzen, kleine Wunden, allgemeine Schwächung des Organismus usw. … Es ist völlig falsch, dass die Menschen, die die italienischen Küsten erreichen, ohne jegliche ärztliche Kontrolle frei herumlaufen. Das Gesundheitsministerium führt tägliche Untersuchungen durch. Wir unterstützen unsererseits mit zusätzlichen Screenings die Behörden in Pozzallo und Augusta, zwei der Hauptlandeplätze von Flüchtlingen.
Im Gegensatz zu den letzten Behauptungen bekannter Vertreter der Politik ist die Tuberkulose in Italien leider seit Jahrzehnten nach wie vor präsent, sie wurde keineswegs durch Migranten importiert. In den letzten 50 Jahren ist die Zahl der jährlichen TBC-Erkrankungen allerdings von 12.247 auf 4.418 gesunken. Man kann also nicht von einem Wiederaufflammen dieser Krankheit sprechen. Meist sind Personen, die auf den TBC-Test (Mantoux) positiv reagieren, nicht ansteckend. Nur 10 % der Infizierten erkranken an TBC und sind damit potenziell ansteckend. … Was Ebola betrifft, so wurde bisher in Italien kein einziger Fall diagnostiziert. Ein Import dieser Krankheit durch Flüchtlinge, die unsere Küsten erreichen, ist mehr als unwahrscheinlich. Der Ebola-Virus ist meist tödlich und verursacht in den meisten Fällen Symptome, die im Laufe weniger Tage zum Tode führen. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass infizierte Personen die abenteuerliche, manchmal monatelange Reise nach Europa antreten … .
Die Teams von MSF in Westafrika behandelten 2/3 aller offiziell registrierten Ebolafälle. Die internationale Vorsitzende von Ärzten ohne Grenzen erklärte gestern vor der UNO, eine restriktive Politik der Grenzschließungen sei ein verheerender Fehler, der viele Menschenleben kostet. Maßnahmen wie Zwangsquarantäne bringen die Menschen dazu, die Kranken zu verstecken, so dass sie von ärztlichen Kontrollen nicht erreicht werden können. Solche Maßnahmen dienen nur dazu, Angst und Unsicherheit zu verbreiten, sie sind zur Eindämmung der Krankheit untauglich. …
Statt nach Schließung der italienischen Grenzen zu rufen und die Hürden für die Einreise noch weiter zu erhöhen ist es notwendig, eine Verbesserung des Aufnahmesystems zu fordern, weil ausreichende Qualitätsstandards entscheidend sind, um die körperliche und psychische Gesundheit der hier ankommenden Menschen zu gewährleisten. Wenn es also ein reales Risiko für die öffentliche Gesundheit und die italienische Bevölkerung gibt, dann liegt es an der sozialen Isolierung (der Flüchtlinge, MH) und der fehlenden Einhaltung von Mindeststandards bei der Aufnahme. … Die Realität, die wir tagtäglich erleben, ist, dass wer vor Krieg und Verfolgung flieht, Schutz braucht – und nicht Angst und instrumentelle Ignoranz.“
Schüren von Fremdenangst hat System
MSF stellte auch klar, dass die 40 Polizisten, die auf dem TBC-Test positiv reagierten, die Infektion möglicherweise schon sehr lange in sich tragen. Zu behaupten, sie hätten sich bei Flüchtlingen angesteckt, sei Unsinn.
Es ist nicht zu erwarten, dass sich Grillo von dieser Richtigstellung überzeugen lässt. Ihm geht es nicht um Fakten, sondern um das Schüren von Fremdenangst, von dem er sich politischen Gewinn verspricht. Das hat System. Immer wieder erscheinen auf seinem Blog und – noch mehr – auf seiner Facebook-Seite Beiträge und Kommentare, in denen Migranten und Flüchtlinge als Gefahr dargestellt werden: als Kriminelle, Gewalttätige, Schmarotzer oder Krankheitsträger. Eine in der Geschichte immer wiederkehrende Masche aller Rechtspopulisten weltweit. Insofern passt es auch durchaus, dass Grillo im EU-Parlament eine gemeinsame Gruppe mit der UKIP des Briten Nigel Farage gebildet hat.
Um so wichtiger ist es, dass unabhängige, anerkannte Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ den Lügen der Rattenfänger öffentlich, sachlich und klar widersprechen.