EU-Hilfe gegen Hunger kommt nicht an

Geschätzt 4 Millionen Menschen, die in Italien unter der Armutsgrenze leben und auf die öffentliche Ausgabe von Lebensmitteln angewiesen sind, haben darauf in diesem Jahr verzichten müssen. Die Vorräte der Wohlfahrtsverbände und karitativer Einrichtungen, die die Mahlzeiten an die Bedürftigen verteilen, sind fast oder ganz aufgebraucht.

Grund dafür ist die Beendigung des 1987 eingerichteten EU-Programms zur Bekämpfung von Hunger und Armut in den Mitgliedsstaaten: Lebensmittelüberschüsse wurden von Brüssel aufgekauft und kostenlos an die Landwirtschaftsministerien der einzelnen europäischen Länder abgegeben, die sie ihrerseits an die Wohlfahrtsverbände zur Verteilung weitergaben.

Nord-Länder stoppen Hilfsprogramm

Schlange vor Armenmensa in Mailand

Schlange vor Armenmensa in Mailand

Dieses Hilfsprogramm musste 2011 auf Grund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes eingestellt werden, das damit einem Einspruch durch die Länder Deutschland (federführend), Schweden, Österreich, Niederlanden, Großbritannien, Dänemark und Tschechien stattgab. Die klagenden Länder hatten argumentiert, die Hilfsleistungen lägen in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten und seien (nach dem so genannten Subsidiaritätsprinzip) nicht Aufgabe der EU. Auch den Vorschlag der EU-Kommission, den Mitgliedsstaaten einen Teil der Mittel aus den Strukturfonds für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen, lehnte das Bündnis der „Nord-Länder“ ab.

Als Kompromiss einigten sich die EU-Länder schließlich darauf, zunächst bis 2020 3,5 Milliarden bereitzustellen, die von den Mitgliedsstaaten für Lebensmittel, Kleidung, Schulbücher und weitere Sachleistungen an arme Familien verteilt werden sollen. Voraussetzung für das Abrufen der Mittel ist, dass die einzelnen Länder einen entsprechenden Umsetzungsplan der Kommission vorlegen. Was die meisten Länder auch pünktlich getan haben, so dass es hier für die Betroffenen zu keiner Unterbrechung der Unterstützung kam, auch wenn sich ihr Umfang reduzierte.

… und Italien verschläft Alternativplan

Nicht so in Italien: obwohl schon 2013 klar war, dass ein solcher Plan sofort aufgelegt werden muss, ließ sich die italienische Regierung Zeit: Erst im April dieses Jahres wurde ein „Runder Tisch“ beim Arbeitsministerium eingerichtet, mit Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Kommunen und allerlei anderen Stellen und Behörden. Und da wurde erst einmal tüchtig gestritten und verhandelt. So wollten zum Beispiel arme Kommunen zwar gerne auf die Mittel zugreifen, aber sich bei der Verwendung nicht festlegen. Die Wohlfahrtverbände wiederum wollten das Monopol über die Verteilung der Mittel weiterhin in der Hand behalten. Als es schließlich zu einer Einigung kam, war es schon Anfang September. Inzwischen ist der Umsetzungsplan bei der EU-Kommission angekommen. Bis die Kommission das Ganze geprüft und genehmigt hat, werden weitere Wochen bzw. Monate vergehen. Das bedeutet, dass die Betroffenen frühestens im November die Hilfeleistungen wieder erhalten werden. Vielleicht aber auch erst im nächsten Jahr.

Also dank der Blockadehaltung der Nord-Länder einerseits und der Schlampigkeit und Schwerfälligkeit der italienischen Behörden andererseits haben über 4 Millionen Bedürftige – u. a. über 200.000 Kinder zwischen 0 und 5 Jahren – fast ein Jahr lang auf eine Unterstützung verzichten müssen, die für sie lebenswichtig ist.

Und das in einer Situation, in der die Zahl der Personen, die in Italien unter der Armutsgrenze leben, stetig wächst (von 2,4 Millionen 2007 auf 6 Millionen 2013) und es keine ausreichende soziale Auffangsysteme für sie gibt: Der Umfang der Sozialhilfe für Menschen, die keinen Anspruch mehr auf staatliche Arbeitslosenunterstützung oder Übergangszahlungen durch die Unternehmen haben, ist lächerlich gering und variiert auch stark Region zu Region, von Kommune zu Kommune: von ca. 100 Euro (monatlich) in Mailand bis 30 Euro in einigen Gemeinden Süditaliens.

Krieg der Armen auch in Europa

In einigen Schulen sind die Lehrer dazu übergegangen, übrig gebliebene Lebensmittel aus der Schulmensa in Päckchen einzupacken, um sie – möglichst diskret – an bedürftige Schüler ihrer Klasse abzugeben, damit sie sie mit nach Hause nehmen. Im Wissen, dass dies gesetzlich nicht erlaubt ist. Eine Lehrerin der Rodari-Schule in Mailand zuckt dazu nur mit den Schultern: „Dann warte ich eben darauf, dass mich irgendwann jemand anzeigt“. Und setzt hinzu: „Das Schlimmste ist, dass viele arme italienische Familien wild werden, wenn sie sehen, dass z.B. kirchliche Einrichtungen Lebensmittel und andere Sachen an Migranten und Flüchtlinge verteilen“.

Der Krieg der Armen findet nicht nur in den entfernten Regionen der so genannten Dritten Welt statt, sondern auch in Europa. Fremdenfeindliche und rechtsextreme Kräfte profitieren davon, während die europäischen Regierungschefs – vor allem aus dem europäischen Norden – ihren Teil dazu beitragen, dass die soziale Schere sowohl innerhalb der einzelnen Länder als auch zwischen ihnen immer größer wird.

Ein Kommentar

  • manella schlitter

    wo bleiben aufrufe fuer spendenaktionen?
    wo privatsammelaktionen?
    wo kirchliche sammelaktionen?
    wo lions, ….

    ich erinnere mich, dass, jedes mal, wenn es irgendwo not gab, wurden, zum beispiel, im fernsehen, die buerger aufgerufen, auf konto soundso zu spenden, es gab sammelaktionen, fluechtlinge kamen privat unter, ….

    ungarnfluechtlinge, sammlungen fuer ddr – buerger, nach oeffnung, fuer afrika, ….

    muss wirklich alles der staat/europa organisieren und umverteilen? warum uebertraegt man nichts mehr christlichen mitbuergern?
    es gibt genuegend wohlhabende in italien (der durchschnitts-privatbesitz der italiener ist europaweit am hoechsten, so viel ich weiss), europaeer, die gerne helfen.

    nur, wenn journalisten die zustaende nie beschreiben, damit man weiss und niemand den buerger erklaert, was, wie und wo sie selber aendern und bessern koennten,
    nicht immer die, die auf der gehaltsliste der buerger stehen und unsere so tun, als ob sie unsere interessen vertreten. in wahrheit ihre eigenen, naemlich sich in staendigen gipfeltreffen zu gefallen, um ueber uns zu entscheiden, was uns meist mehr schadet als nuetzt.

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