Ein Halleluja für Matteo und Francesco

Der eilige Matteo und der heilige Francesco

Der eilige Matteo und der heilige Francesco

Im Reformgetöse der letzten Monate ist fast eine Neuigkeit untergegangen, die man guten Gewissens den geplanten italienischen „Strukturreformen“ zumindest gleichstellen könnte. Sie betrifft das Verhältnis der Politik zur Katholischen Kirche – und der Katholischen Kirche zur Politik. Eigentlich war auf diesem Gebiet nicht viel Neues zu erwarten, denn Renzi wurde in seiner Jugend nicht von laizistischen KPI-Leuten, sondern von katholischen Scouts sozialisiert, ist bekennender Katholik und war auch schon beim Papst. Also eigentlich gute Voraussetzungen dafür, um auch mit ihm das altbekannte „spezielle Verhältnis“ fortzusetzen, das der Vatikan schon seit Mussolinis Zeiten mit möglichst allen römischen Regierungen pflegt und das sich auf die einfache Formel bringen lässt, dass die politischen Gesetze des Landes, das immerhin den Vatikan beherbergt, Gott noch etwas wohlgefälliger sein müssten als anderswo. Ein Grundsatz, der den Vatikan in der Vergangenheit zum erbitterten Feind der Regierungen Prodi gemacht hatte, obwohl dieser selbst ein praktizierender Katholik ist, aber den Irrtum beging, von einem „erwachsenen Katholizismus“ zu träumen. Stattdessen wurde Berlusconi zum festen Bündnispartner des Vatikans. Zwar war dessen persönlicher Lebenswandel ein wenig anstößiger, aber verzeihlich, weil er zum Ausgleich die katholische Moral zur Staatsräson erhob. Und Sünder sind wir ja allzumal …

Die Aufkündigung des besonderen Verhältnisses

Nun antwortet dieser Matteo Renzi, der doch eigentlich auch ein Sohn der Kirche ist, auf die Frage, was für ein Verhältnis er zu den Bischöfen habe: „Diese Frage verstehe ich nicht. Ich bin der Ministerpräsident, sie sind die Kirche“. Was heißen soll, dass es sich hier um zwei Züge handelt, die auf verschiedenen Gleisen fahren. Renzi kommt auch gleich zur praktischen Nutzanwendung: Wenn jetzt z. B. über die Zulässigkeit der heterologen künstlichen Befruchtung (durch fremde Samenspender, H.H.) diskutiert werde, die aus Sicht konservativer Katholiken schleunigst verboten oder zumindest strengstens reguliert werden müsste, dann sei dies ein Thema, „zu dem sich das Parlament und nicht die Regierung äußern muss. Das ist eine klassische Frage der Bioethik, und bei solchen Fragen haben wir immer gesagt, dass hier die Kammern intervenieren müssen“. Mit anderen Worten: Für Renzi gibt es keine privilegierte Achse Vatikan – Regierung mehr.

…nicht nur von Renzi, sondern auch vom Papst

Im Sinne des herkömmlichen „speziellen Verhältnisses“ ist das Verrat. Was aber die Sache für den konservativen Flügel um den (noch) amtierenden Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz, Bagnasco, noch bitterer macht, ist die Haltung des neuen Papstes. Denn mit ihm weht auch an der Spitze des Klerus ein anderer Wind. Plötzlich gilt die Parole, dass sich der Vatikan gegenüber den Regierungen Italiens „neutral“ verhalten solle. Womit die Vertreter des klassischen Interventionismus nicht nur von der italienischen Politik, sondern auch von der eigenen Führung an den Rand gedrückt werden.

Da könnte man schon fast an eine Verschwörung glauben: hier der Papst, da der italienische Ministerpräsident, und beide versprechen sich wechselseitig Neutralität. In einer Welt, in der die Wiedererrichtung von Kalifaten auf der Tagesordnung steht, hat man es sich abgewöhnt, noch irgendwo auf „Modernisierung“ zu hoffen. Aber in Italien, im Verhältnis zwischen Staat und Kirche, scheint es nun doch einen bedeutsamen Schritt in dieser Richtung zu geben. Ich erlaube mir ein kleines Halleluja.

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