Die Lega, Grillo und der Monsignore
„Billige Marktschreier, die, um ein paar Wählerstimmen zu raffen, dummes Zeug reden“. Die Worte des Generalsekretärs der Italienischen Bischofskonferenz, Monsignor Galantino, lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Er nennt keine Namen – braucht er auch nicht. Jedermann weiß, wen er meint: Matteo Salvini, den Chef der Lega Nord, und Beppe Grillo, den Chef der 5-Sterne-Bewegung. Beide haben ihre aggressive Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Migranten weiter verschärft. Was sich zu lohnen scheint, denn laut Umfragen gewinnen beide an Zustimmung. Auf Kosten derer, die am meisten Schutz benötigen und am wenigsten geschützt sind.
Von „kommunistischen Bischöfen“ …
„Diese Bischöfe gehen mir langsam auf den Sack“ erklärte darauf Salvini in gewohnt feiner Ausdrucksweise. Sie seien „Kommunisten“ und sollten lieber mit roten Fahnen herumlaufen als predigen, befand er. Mit einer roten Fahne herumrennen müsste demnach auch der Papst persönlich, denn der hatte zur Flüchtlingsfrage noch härtere Worte gebraucht als sein Bischof: „Flüchtlinge zurückweisen, die aus ihrer Heimat übers Meer fliehen, um ein würdigeres Leben zu erreichen, gleicht einer Kriegshandlung“ und sei „ein Akt mörderischer Gewalt“, so Franziskus bei einer Ansprache vor Jugendlichen. Auch ihm widersprach Salvini: Illegale Flüchtlinge zurückzuweisen sei im Gegenteil „eine Pflicht“. Und übrigens: Solle die Kirche doch selbst die Flüchtlinge aufnehmen und im Vatikan unterbringen. Eine dummdreiste Polemik angesichts der Tatsache, dass die Kirche in Italien bei der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen mit an vorderster Stelle steht. Von 100.000 Flüchtlingen leben ca. 35.000 in kirchlichen oder kirchennahen Einrichtungen. Von den vielen Flüchtlingsprojekten ganz abgesehen, die in Kirchengemeinden vor Ort von und mit Ehrenamtlichen durchgeführt werden.
Es ist zwar nicht das erste Mal, dass sich die Lega mit Kirchenvertretern anlegt, doch ein so offener Konfrontationskurs ist neu und birgt durchaus Risiken, denn die norditalienischen Regionen, in denen die Lega stark ist, sind tief katholisch geprägt. Offensichtlich geht Salvini davon aus, dass sich die Frommigkeit seiner Anhänger gut mit rassistischer Menschenverachtung verträgt. Die Realität scheint ihm leider, zumindest bisher, recht zu geben.
Also fühlt er sich ermuntert, noch nachzulegen. Bei seiner Hetzkampagne schreckt er auch vor den absurdesten „Vorschlägen“ nicht zurück: Es gäbe doch im Mittelmeer mehrere verlassene Bohrinseln, wo man die Flüchtlinge „zwischenlagern“ könne, so dass sie „der Bevölkerung nicht zu Last fallen“. Bevor sie allesamt dorthin zurückgeschickt werden, wo sie hingehören.…. und grillinischen Rezepten gegen Flüchtlinge
Dass neben der Lega auch Grillo die fremdenfeindliche Karte ausspielt, ist nicht neu. Mal meinte er, dass die Flüchtlinge die Ebola-Seuche nach Italien bringen, mal empfahl er, „Marokkanern, die gegen das Gesetz verstoßen, eine tüchtige Tracht Prügel“ zu verpassen, mal erkannte er afrikanische Migranten generell als gewalttätig. Diesmal war es ein grillinischer Ratsherr aus Turin, ein gewisser Vittorio Bertola, dem Grillo das Privileg gewährte, in seinem Blog folgende „vier Vorschläge zur Migration“ zu veröffentlichen:
1) „Schrauben anziehen“ bei der Erteilung humanitär begründeter Aufenthaltsgestattungen,
2) konsequente Zwangsabschiebung abgelehnter Asylbewerber,
3) Enschränkung des Rechts, gegen die Ablehnung von Asylanträgen Widerspruch einzulegen, und
4) strengere Bewachung von Flüchtlingen in den Aufnahmezentren („Hier in Turin zog ein senegalesischer Flüchtling wochenlang jeden Morgen um 5 Uhr los, um in den Metros zu stehlen und Frauen mit Messern zu attackieren“, so das schlagende Argument).
Weniger humanitäre Duldungen, schneller abschieben, einsperren, Einspruchsrechte beschneiden. So das „Migrationskonzept“ eines Kommunalpolitikers, das Grillo für tauglich hält. Ein „Konzept“, das auch der Lega alle Ehre machen würde. Findet auch Salvini: “Ich freue mich ja, wenn ich kopiert werde. Dass man mehr abschieben und weniger aufnehmen muss, erzähle ich seit Jahren. Schön, dass es auch Grillo endlich kapiert hat“. Und wenn einige „Grillini“ Kritik an diesem Kurs äußern und betonen, sie hätten mit der Lega nichts gemein: Ihr Guru weist die interne Kritik harsch zurück und fordert, dass „Italien Schengen kündigt, denn Europa lässt uns in der Sch… stecken, während sich eine halbe Million Leute aufmacht, um in die Boote zu steigen“.
Während die Lega, die kleine rechtsextreme Partei „Fratelli d‘ Italia“ und ein Teil der 5-Sterne-Bewegung mit Grillo an der Spitze immer aggressiver gegen Flüchtlinge hetzen, schwankt noch Berlusconis Forza Italia: Mal äußert sie Verständnis für die Lega-Parolen, mal ruft sie zu mehr Zurückhaltung auf. Einerseits weiß sie, dass sie immer stärker von der fremdenfeindlichen und antieuropäischen Lega-Nord in Abhängigkeit gerät. Andererseits befürchtet sie, ein Teil ihrer Anhänger könnte von Salvinis rechtsradikalem Kurs abgeschreckt werden. Und an einem offenen Konflikt mit der katholischen Kirche ist sie auch nicht interessiert. Ein Schlingerkurs, der schwer einzuhalten ist und sie weiter schwächen wird.
Europa versagt
Während rechtsextreme und rassistische Kräfte in Italien, Deutschland und anderswo an Boden gewinnen, wirken die europäischen Regierungen und die EU hilf- und kraftlos. Renzi schweigt zur fremdenfeindlichen Hetze von Lega und Grillo. Ähnlich wie in Deutschland Angela Merkel, die zu den gewalttätigen Ausschreitungen gegen Flüchtlinge lange schwieg und sich erst jetzt – nachdem sie deswegen massiv unter Kritik geraten war – zu einem „beschämend und abstoßend“ durchrang.
Auch der neueste Vorschlag von Merkel und Hollande lässt keinen wirklichen Paradigmenwechsel erkennen: Einrichtung von Registrierungszentren in „Grenzländern“ wie Italien und Griechenland, damit die „richtigen“ von den „falschen“ Flüchtlingen möglichst schnell auseinander sortiert werden. Abgesehen davon, dass das Betreiben solcher Zentren nicht allein Aufgabe der Länder sein kann, die von den Flüchtlingen als erste erreicht werden, sondern von den EU-Ländern gemeinsam getragen werden müssten: Registrieren allein reicht nicht. Wenn jetzt Deutschland Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen will, auch wenn sie zuerst in anderen Ländern europäischen Boden betreten haben, ist das richtig. Notwendig sind aber auch konkrete Schritte zu einer gesamteuropäischen Steuerung, wozu die Einführung verbindlicher Quoten in allen europäischen Ländern gehört, ausgerichtet an Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft. Und die Einrichtung humanitärer Korridore für Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten, damit diesen nicht nur die lebensgefährlichen Fluchtwege unter der Willkür skrupelloser Schleuser bleiben. Davon sind wir noch weit entfernt. Wenn Merkel, unter dem Druck der hohen Flüchtlingszahlen in Deutschland, inzwischen für Quoten plädiert, winkt Hollande unter dem Druck von Le Pen dezidiert ab. Unterdessen zieht Ungarn Mauern und Stacheldraht hoch, lässt Cameron Flüchtende von der Polizei durch den Ärmelkanal jagen und stellt sich Polen blind und taub. Gesamteuropäische Verantwortung: Fehlanzeige.