Jetzt auch noch Orban-Fan
Was Grillo als Post in seinem Blog veröffentlicht, ist entweder von ihm selbst oder wurde von ihm genehmigt und für gut befunden. Das gilt auch für das Loblied auf den rechtsextremen Regierungschef Ungarns, Victor Orban, das von der Internetseite „Comedonchisciotte.com“ übernommen wurde und Anfang September auf Grillos Blog erschien.
Unter der Überschrift „Orbans Ergebnisse“ findet sich eine lange Liste von wirtschafts- und finanzpolitischen Wundertaten, die Ungarn auf Erfolgskurs gebracht hätten. Anders als Italien und Griechenland habe Orban sich nicht an EU-Vorgaben gehalten und so die Spirale von Schulden, Austerity und Rezession erfolgreich durchbrochen. Gelobt wird u. a., dass Orban seinen Wirtschaftsminister, der „seiner Linie folgt“, an die Spitze der (eigentlich unabhängigen, Anm. MH) Zentralbank setzte. Völlig zu Unrecht werte dies die EU als „Attentat auf die Demokratie“ und habe deshalb gegen Ungarn ein Verfahren eingeleitet. Zur Liste der orbanschen Heldentaten gehören auch die Einführung von Sondersteuern für Banken und multinationale Konzerne, die Mehrwertsteuererhöhung und Hilfen für Klein-und Mittelunternehmen.
Ungarn als Vorbild „gegen Zwangsmischung“
Kein kritisches Wort zu Orbans massiver Einschränkung der Medienfreiheit und Unabhängigkeit der Richter und zur Diskriminierung von ethnischen Minderheiten und Homosexuellen. Und schon gar nicht zur Mauer gegen die Flüchtlinge an der ungarischen Staatsgrenze. Vielmehr empört sich der Beitragsschreiber über die „Verleumdungskampagne“ der internationalen Presse gegen Orban. Der habe schließlich erklärt, dass Ungarn Ausländer akzeptiert, Zitat: „We welcome foreign investors, artists, scientists, but we don’t want to mix on a mass scale“. „Ungarn will eben nicht ein multiethnisches Land werden, mit einer massenhaften Zwangsimmigration“ kommentiert der Autor. Und: „Dass man eine solche Zwangsmischung nicht will, wird aber als große Sünde betrachtet, nur nicht im Falle Israels“.
„Akzeptanz von Ausländern“ ist also hui, wenn es sich um „Investoren, Künstler und Wissenschaftler“ handelt. „Zwangsmischung“ mit Flüchtlingen und Armutszuwanderern ist hingegen pfui. Und muss mit Mauer und Stacheldraht verhindert werden. Das reicht Orban noch nicht: Seit dem 15. September landen Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen und dafür ihr Leben riskieren, im Gefängnis, wenn sie „illegal“ ungarischen Boden betreten. Das ist nach dem von Orban neu erlassenen Gesetz dann der Fall, wenn der Flüchtling nicht bereit ist, sich in Ungarn registrieren zu lassen und dort einen Asylantrag zu stellen. Was angesichts der dort herrschenden Zustände kein Wunder ist. Bis zu drei Jahre Haft kann gegen Flüchtlinge für diese „Straftat“ verhängt werden. Kommt „Sachbeschädigung“ dazu (zum Beispiel wenn ein Flüchtling versucht, den Grenzzaun bzw. Stachendraht durchzutrennen), gibt es sogar bis zu fünf Jahren Gefängnis. Ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte und internationales Recht, für das Ungarn von der EU sanktioniert werden müsste. In Grillos Blog wird Ungarn aber als Modell in Sachen Zuwanderung gepriesen.Bemerkenswert auch die Schlusspassage des Beitrags: „Ungarn respektiert alle europäische Parameter und hat keine Schulden wie Griechenland. Es ist also nicht erpressbar. Sie (gemeint sind wohl „die in Brüssel“, Anm. MH) werden sich also irgendeine bunte Revolution ‚a la Soros‘ einfallen lassen müssen, um Ungarn ‚zu normalisieren‘. Was leider nicht ausgeschlossen ist. Schauen wir mal, wann eine weltweite Pressekampagne in großem Stil gegen ‚ Nazis, Faschisten, Rassisten, Chauvinisten etc.‘ beginnen wird“.
Also handelt es sich nach grillinischer Leseart bei den (in Ausführungszeichen gesetzten) „Nazis, Faschisten, Rassisten, Chauvinisten“ um Hirngespinste der mit Brüssel verbandelten internationalen Lügenpresse. Angesichts der realen Entwicklungen in Europa – mit Salvini, Le Pen, Pegida/AfD und besagtem Orban – ist das starker Tobak. Und ein bekannter Topos gerade der extremen Rechten: Nazis, Faschisten und Rassisten gibt es nicht. Nur ehrenwerte, besorgte, patriotische, christliche Bürger.
Grillo lobt Orban und attackiert Merkel
Auch Orbans Behauptung, Deutschland habe „Schuld an der Flüchtlingskrise“, übernimmt Grillo. In einem weiteren Post erklärt er, Merkel habe erst durch ihre Offenheit gegenüber den Kriegsflüchtlingen Ungarn „ins Chaos gestürzt“. Er wirft der Kanzlerin – und in diesem Punkt hat er Recht – inkonsequentes Verhalten vor, verwickelt sich aber selbst in Widersprüche, indem er ihr zuruft: „Frau Merkel, nutzen Sie endlich Ihren Einfluss, um die Dublin-Regelung zu verändern, wie von der 5-Sterne-Bewegung schon lange gefordert, oder öffnen Sie wirklich für alle Ihre Tür!“.
Was denn nun? Stacheldraht und Gefängnis (in Ungarn) oder offene Türen (nur in Deutschland) für die Flüchtlinge? Die Konfusion, die er Merkel vorwirft, verbreitet er selbst. Weil ihm das Problem eigentlich schnuppe ist und er nur danach schielt, mal hier und mal da die Stimmung anzuheizen. Mal gegen „die in Brüssel“ und das böse Deutschland, mal gegen die „Clandestini“ (illegale Zuwanderer), die den braven und gesetzestreuen Italienern Gewaltkriminalität und Krankheiten bescheren.
Kritische „Grillini“ müssen Farbe bekennen
Ein solcher erbärmlicher Populismus ist – in Italien und in Europa – leider nichts Neues. Wirklich merkwürdig ist allerdings, dass sich erstens ein Teil von Grillos Anhängern immer noch als politisch „eher links“ verortet, allen xenofobischen Tiraden, Farage-Allianzen und Orban-Komplimenten zum Trotz, und dass zweitens laut Umfragen die Zustimmung zur 5-Sterne-Bewegung stetig wächst (derzeit 26 %) und im Fall einer Stichwahl zwischen ihr und der PD sogar bis zu 46 % erklären, sie würden sich für Grillo entscheiden.
Ein Teil der 5-Sterne-Abgeordneten ist zwar gegenüber Grillos Kurs zunehmend kritisch. Einige wurden deswegen bereits aus der Bewegung rausgeschmissen, wenige haben sie von sich aus verlassen. Vor den Risiken einer offenen Konfrontation oder gar Abspaltung weichen die meisten immer noch zurück.
Angesichts der dramatischen Entwicklung in der Flüchtlingskrise, die unmittelbar die Frage nach der Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde aufwirft, wird auch für die „kritischen Grillini“ ein solches Ausweichen immer schwieriger. Sie werden sich entscheiden müssen. Gleichzeitig für Bürger- und Menschenrechte eintreten und Orban loben – das geht nicht zusammen.